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Kultur
Das Kolosseum – Von antiken Spektakeln zur christlichen Gedenkstätte (Teil 2)

Spuren früher christlicher Geschichte

Spuren früher christlicher Geschichte
Gebet des Kreuzwegs vor der Kirche Santa Maria della Pietà al Colosseo, Gemälde von Christoffer Wilhelm Eckersberg (1783-1853).
Von Brigitte Kuhn-Forte

Alle Welt kennt das römische Kolosseum als Schauplatz von Gladiatorenkämpfen, Tierhetzen und grausamen Exekutionen (vgl. Teil 1, erschienen in O.R. dt., Nr. 4, 26.1.2024, S. 5). Die blutigen Spektakel endeten spätestens 438 n. Chr. (Gladiatoren-Duelle) beziehungsweise 523 (Tierkämpfe), aber das größte Amphitheater des Imperiums hat trotz mehrerer Brände und zahlreicher schwerer Erdbeben auch ein Nachleben. Ein relativ unbekannter Aspekt der nachantiken Epoche ist die »Christianisierung « des Kolosseums und seine Beziehung zum Papsttum seit dem Mittelalter.


Vom »Tempel aller Dämonen« zum »Tempel der Märtyrer«

Die Rezeption des gigantischen Baus in Literatur und öffentlicher Meinung im Lauf der Jahrhunderte schwankt zwischen Extremen. In der Antike wurde er bewundert und zum Symbol Roms. Der frühchristliche Kirchenschriftsteller Tertullian bezeichnete im Traktat De spectaculis (Über die Spiele, 12,7; vor 200) das römische Amphitheater als »Tempel aller heidnischer Dämonen«. Andererseits galt es seit der Märtyrerliteratur, den Acta et passiones martyrum, als »Tempel der Märtyrer «. Das Kolosseum stieg zum christlichen Monument für den Märtyrerkult auf, obwohl es für eine dortige Damnatio ad bestias, den wilden Tieren vorgeworfen zu werden, keine Dokumentation gibt. Christen wurden unter anderem im vatikanischen Zirkus des Gaius/ Caligula und Nero beim Vatikan und im Circus Maximus hingerichtet. Der einzige Märtyrertod, welcher mit dem römischen Kolosseum in Verbindung gebracht werden könnte, ist der des heiligen Bischofs Ignatius von Antiochia, der einen Löwen als Attribut besitzt, unter Kaiser Trajan (vor 117). Jedoch hält auch die neuere kirchliche Forschung den Bericht für unecht. Das Kolosseum findet sich auch nicht in der Liste christlicher Märtyrerorte des Pilgerführers Mirabilia Urbis Romae (1143) von Benedictus, Kanoniker von St. Peter.

Verfall im Mittelalter

Bis ins 6. Jahrhundert hinein berichten Inschriften noch von Restaurierungen des antiken Baus, danach erfolgte über Jahrhunderte ein kontinuierlicher Verfall aufgrund der teilweisen Einstürze durch Erdbeben und der fehlenden Instandhaltungsmaßnahmen. Im Mittelalter war die ehemalige Funktion in Vergessenheit geraten. Im 11. Jahrhundert gehörte das Amphitheater zur nahen Kirche Santa Maria Nova. Bald nisteten sich darin Magazine und Ställe ein, zunehmend Werkstätten, Betriebe und Wohnungen vor allem für Handwerker. Zahlreiche Funde legen davon Zeugnis ab: Schusterwerkzeug, Spindel, Spulen, Webstuhl-Gewichte, Fingerhüte für Woll- und Textilproduktion, Küchengerät, Keramik. Die Anhäufung von Knochen deuten auf Fleischereien hin.

In der Folge wurde ein Teil des Kolosseums gar in eine seit 1133 dokumentierte Festung verwandelt. In einer Zeit erbitterter Auseinandersetzungen zwischen einigen wenigen mächtigen Adelsfamilien Roms bauten die Frangipane, Anhänger Papst Innozenz’ II. (1130-1143), die am Palatin und auf dem Forum Romanum weitere Befestigungsanlagen besaßen, am östlichen Eingangstor des Kolosseums Richtung Lateran einen Festungsturm, vermauerten elf Arkaden über zwei Stockwerke und legten entlang der Südfassade einen hölzernen Wehrgang an. Dieser Bau ging im 13. Jahrhundert an die Adelsfamilie Annibaldi über und blieb deren Eigentum bis ins 14. Jahrhundert. 1312 erzwang der im selben Jahr in Rom zum Kaiser gekrönte Heinrich VII. die Rückgabe der Besitztümer an den Heiligen Stuhl. [...]
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