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Dokumentation
Audienz für die Teilnehmer an einem Kongress über die Enzyklika Deus caritas est von Benedikt XVI. zum 10. Jahrestag der Veröffentlichung

Liebe breitet sich von ihrem Wesen her aus

Ansprache von Papst Franziskus am 26. Februar
Liebe breitet sich von ihrem Wesen her aus
Papst Franziskus mit Prälat Giovanni Pietro Dal Toso, Sekretär des Päpstlichen Rats »Cor Unum«.
Liebe Brüder und Schwestern!

Ich empfange euch aus Anlass des internationalen Kongresses zum Thema »Die Liebe hört niemals auf« (1 Kor 13,8). Perspektiven zehn Jahre nach der Enzyklika Deus caritas est«, veranstaltet vom Päpstlichen Rat Cor Unum, und ich danke Prälat Dal Toso für seine Worte der Begrüßung, die er in euer aller Namen an mich gerichtet hat.

Die erste Enzyklika von Papst Benedikt XVI. behandelt ein Thema, das es erlaubt, die gesamte Kirchengeschichte Revue passieren zu lassen, die auch die Geschichte der Liebe ist. Sie ist eine Geschichte der von Gott empfangenen Liebe, die in die Welt getragen werden muss: diese empfangene und geschenkte Liebe ist der Dreh- und Angelpunkt der Kirchengeschichte sowie der Geschichte eines jeden von uns. Denn der Akt der Nächstenliebe ist nicht nur ein Almosen, um sein Gewissen reinzuwaschen. Er umfasst »eine aufmerksame, liebevolle Zuwendung zum anderen« (vgl. Nachsynodales Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 199), die den anderen »als eines Wesens mit sich selbst betrachtet« (Thomas von Aquin, Summa Theologiae II-II, q. 27, a. 2) und die Freundschaft mit Gott teilen möchte.

Rückkehr zum Zentrum der Verkündigung des Glaubens

Die Liebe steht also im Zentrum des kirchlichen Lebens und ist wahrhaft ihr Herz, wie es die heilige Therese vom Kinde Jesus gesagt hat. Sowohl für den einzelnen Gläubigen als auch für die christliche Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit gilt das Wort Jesu, nach dem die Liebe das erste und oberste Gebot ist: »Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. […] Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (Mk 12,30-31).

Das Jubiläumsjahr, das wir derzeit erleben, ist auch ein Anlass, um zu diesem schlagenden Herzen unseres Lebens und unseres Zeugnisses zurückzukehren, zum Zentrum der Verkündigung des Glaubens: »Gott ist die Liebe« (1 Joh 4,8.16). Gott hat nicht bloß den Wunsch oder die Fähigkeit zu lieben. Gott ist die Liebe: Die Liebe ist sein Wesen, seine Natur. Er ist einzig, aber er ist nicht einsam. Er kann nicht allein bleiben, er kann sich nicht in sich selbst verschließen, weil er Gemeinschaft ist, Liebe ist, und die Liebe teilt sich von ihrem Wesen her mit, breitet sich aus.

So lässt Gott den Menschen an seinem Leben der Liebe teilhaben, und auch wenn der Mensch sich von ihm entfernt, bleibt er doch nicht fern von ihm und geht ihm entgegen. Dieses Uns-Entgegenkommen, das in der Menschwerdung des Sohnes seinen Höhepunkt hat, ist seine Barmherzigkeit. Es ist seine Weise, sich uns Sündern gegenüber zum Ausdruck zu bringen; es ist sein Antlitz, das uns anblickt und sich unserer annimmt. In der Enzyklika heißt es: »Das Programm Jesu ist das ›sehende Herz‹. Dieses Herz sieht, wo Liebe not tut und handelt danach« (Nr. 31). Liebe und Barmherzigkeit sind so eng miteinander verbunden, weil sie die Art und Weise sind, wie Gott ist und handelt: seine Identität und sein Name.

Der erste Aspekt, an den die Enzyklika uns erinnert, ist gerade das Antlitz Gottes: wer der Gott ist, dem wir in Christus begegnen können, wie treu und unübertrefflich seine Liebe ist: »Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt« (Joh 15,13). Jede Form der Liebe, der Solidarität, des Teilens ist nur ein Widerschein jener Liebe, die Gott ist. Unermüdlich wendet er uns seine Liebe zu, und wir sind gerufen, in der Welt Zeugen dieser Liebe zu werden. Daher müssen wir vor Beginn jeder Aktivität auf die Liebe Gottes als Kompass blicken, der unserem Leben Orientierung gibt: Dort finden wir die Richtung, von ihr lernen wir, wie wir auf unsere Brüder und Schwestern und auf die Welt blicken müssen. »Ubi amor, ibi oculus«, sagte man im Mittelalter: Wo Liebe ist, da ist auch die Fähigkeit zu sehen. Nur »wenn wir in seiner Liebe bleiben« (vgl. Joh 15,1-17) werden wir den, der uns nahe ist, verstehen und lieben können. [...]
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