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Dokumentation
Botschaft des Heiligen Vaters Papst Franziskus zur Feier des Weltfriedenstags, 1. Januar 2015

Nicht mehr Knechte, sondern Brüder

Nicht mehr Knechte, sondern Brüder
Weltweit schuften knapp zehn Millionen Kinder unter Bedingungen, die der Sklaverei sehr ähnlich sind.
1. Zu Beginn eines neuen Jahres, das wir als Gnade und Geschenk Gottes an die Menschheit annehmen, möchte ich an jeden Mann und jede Frau sowie an alle Völker und Nationen der Welt, an die Staatsoberhäupter und die Regierungschefs und an die Verantwortlichen der verschiedenen Religionen meine herzlichen Friedenswünsche richten, begleitet von meinem Gebet, dass die Kriege, die Konflikte und die vielen Leiden enden mögen, welche sowohl von Menschenhand als auch durch alte und neue Epidemien und durch die verheerenden Auswirkungen der Naturkatastrophen verursacht werden. Besonders bete ich dafür, dass wir – entsprechend unserer gemeinsamen Berufung, mit Gott und mit allen Menschen guten Willens für die Förderung von Eintracht und Frieden in der Welt zusammenzuarbeiten – bewusst der Versuchung widerstehen, uns in einer Weise zu verhalten, die der Würde unseres Menschseins nicht gerecht wird.

In der Botschaft zum vergangenen 1. Januar hatte ich gesagt, dass zum »Wunsch nach einem erfüllten Leben […] ein unstillbares Verlangen nach Brüderlichkeit [gehört], das zu einer Gemeinschaft mit den anderen drängt, in denen wir nicht Feinde oder Konkurrenten sehen, sondern Geschwister, die man aufnimmt und umarmt«. Da der Mensch ein relationales Wesen ist, dazu bestimmt, sich im Zusammenhang zwischenmenschlicher Beziehungen zu verwirklichen, die auf Gerechtigkeit und Liebe ausgerichtet sind, ist es für seine Entwicklung grundlegend, dass seine Würde, seine Freiheit und seine Autonomie anerkannt und geachtet werden. Leider verletzt das immer noch verbreitete Übel der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen in schwerwiegender Weise das gemeinschaftliche Leben und die Berufung, von Achtung, Gerechtigkeit und Liebe geprägte zwischenmenschliche Beziehungen zu knüpfen. Dieses abscheuliche Phänomen, das dazu führt, die Grundrechte des anderen mit Füßen zu treten und seine Freiheit und seine Würde zu vernichten, nimmt vielfältige Formen an, über die ich einige kurze Überlegungen anstellen möchte, damit wir im Licht des Wortes Gottes in allen Menschen »nicht mehr Knechte, sondern Brüder« sehen.

Hinhören auf den Plan Gottes für die Menschheit

2. Das Thema, das ich für diese Botschaft gewählt habe, knüpft an den Philemonbrief des heiligen Paulus an. Darin bittet der Apostel seinen Mitarbeiter Philemon, Onesimus, dessen ehemaligen Sklaven, der nun Christ geworden und darum – nach Paulus – würdig ist, als Bruder betrachtet zu werden, wieder aufzunehmen. Der Völkerapostel schreibt: »Vielleicht wurde er nur deshalb eine Weile von dir getrennt, damit du ihn für ewig zurückerhältst, nicht mehr als Sklaven, sondern als weit mehr: als geliebten Bruder« (Phlm 15-16). Onesimus ist dadurch, dass er Christ wurde, zum Bruder Philemons geworden. So stellt die Bekehrung zu Christus, der Beginn eines Lebens der Jüngerschaft in Christus, eine neue Geburt dar (vgl. 2 Kor 5,17; 1 Petr 1,3), welche die Brüderlichkeit als grundlegende Bindung des Familienlebens und als Basis des gesellschaftlichen Lebens zu neuem Leben erweckt.

Im Buch Genesis (vgl. 1,27-28) steht, dass Gott den Menschen als Mann und Frau schuf und sie segnete, damit sie wachsen und sich vermehren sollten: Er machte Adam und Eva zu Eltern, welche den Segen Gottes, fruchtbar zu sein und sich zu vermehren, Wirklichkeit werden ließen und das erste Bruderpaar, Kain und Abel, zeugten. Kain und Abel sind Brüder, weil sie aus dem gleichen Schoß hervorgegangen sind, und darum haben sie den gleichen Ursprung, die gleiche Natur und die gleiche Würde ihrer Eltern, die als Gottes Abbild und ihm ähnlich erschaffen sind.

Doch die Brüderlichkeit drückt auch die Vielfalt und den Unterschied aus, der unter den Geschwistern besteht, obwohl sie durch die Geburt verbunden sind und die gleiche Natur und die gleiche Würde besitzen. Als Brüder und Schwestern stehen also alle Menschen von Natur aus in Beziehung zu den anderen, von denen sie sich unterscheiden, mit denen sie aber in Bezug auf Ursprung, Natur und Würde gleich sind. Kraft dieser Tatsache bildet die Brüderlichkeit das Netz grundlegender Beziehungen für den Aufbau der von Gott erschaffenen Menschheitsfamilie. [...]
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