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Dokumentation
Botschaft von Papst Franziskus zum 58. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel

Künstliche Intelligenz und Weisheit des Herzens: für eine wahrhaft menschliche Kommunikation

Künstliche Intelligenz und Weisheit des Herzens: für eine wahrhaft menschliche Kommunikation
Liebe Brüder und Schwestern!

Die Entwicklung von Systemen sogenannter »künstlicher Intelligenz«, über die ich mich bereits in meiner jüngsten Botschaft zum Weltfriedenstag geäußert habe, verändert die Information und Kommunikation und damit einige der Grundlagen des zivilen Zusammenlebens in radikaler Weise. Es handelt sich um einen Wandel, der alle betrifft, nicht nur Fachleute. Die beschleunigte Verbreitung wunderbarer Erfindungen, deren Funktionsweisen und Potenziale den meisten von uns verschlossen bleiben, löst ein Erstaunen aus, das zwischen Begeisterung und Orientierungslosigkeit schwankt und uns unweigerlich mit grundlegenden Fragen konfrontiert: Was ist der Mensch, was ist seine Besonderheit, und wie sieht die Zukunft unserer Spezies homo sapiens im Zeitalter der künstlichen Intelligenz aus? Wie können wir wahrhaft Mensch bleiben und den stattfindenden kulturellen Wandel zum Guten lenken?

Vom Herzen ausgehen

Zunächst einmal lohnt es sich, das Terrain von schwarzmalerischen Lesarten und ihren lähmenden Auswirkungen zu räumen. Romano Guardini, der sich bereits vor hundert Jahren Gedanken über die Technik und den Menschen machte, rief dazu auf, sich nicht gegen das »Neue« zu versteifen, in dem Bemühen, »eine schöne Welt zu bewahren […], die untergehen muss«. Zugleich warnte er aber auch eindringlich und prophetisch: »Unser Platz ist im Werdenden. Wir sollen uns hineinstellen, jeder an seinem Ort, […] ehrlich unser Ja dazu sprechen; doch zugleich mit unbestechlichem Herzen fühlend bleiben für alles, was darin zerstörend, unmenschlich ist.« Und er schloss mit den Worten: »Wohl handelt es sich um technische, wissenschaftliche, politische Aufgaben; die aber sind nur vom Menschen her zu lösen. Ein neues Menschentum muss erwachen, von tieferer Geistigkeit, neuer Freiheit und Innerlichkeit«1.

In diesem Zeitalter, das in der Gefahr steht, reich an Technik und arm an Menschlichkeit zu sein, muss unser Nachdenken vom menschlichen Herzen ausgehen2. Nur wenn wir eine geistliche Sichtweise einnehmen, nur wenn wir wieder eine Herzensweisheit erlangen, können wir die Neuerungen unserer Zeit deuten und interpretieren und den Weg zu einer wahrhaft menschlichen Kommunikation wiederentdecken. Das Herz, biblisch verstanden als Sitz der Freiheit und der wichtigsten Lebensentscheidungen, ist ein Symbol der Ganzheit, der Einheit, aber es hat auch mit Gefühlen, Wünschen und Träumen zu tun; vor allem ist es ein innerer Ort der Gottesbegegnung. Die Herzensweisheit ist also jene Tugend, die es uns ermöglicht, das Ganze und die Teile, die Entscheidungen und ihre Folgen, die Stärken und die Schwächen, die Vergangenheit und die Zukunft, das Ich und das Wir miteinander zu verbinden.

Diese Weisheit des Herzens lässt sich von denen finden, die sie suchen, und sie lässt sich von denen erblicken, die sie lieben; sie kommt denen zuvor, die nach ihr verlangen, und sie geht auf die Suche nach denen, die ihrer würdig sind (vgl. Weish 6,12-16). Sie ist bei denen, die sich beraten lassen (vgl. Spr 13,10), bei denen, die ein fügsames Herz, ein hörendes Herz haben (vgl. 1 Kön 3,9). Sie ist eine Gabe des Heiligen Geistes, die es ermöglicht, die Dinge mit den Augen Gottes zu sehen, die Zusammenhänge, Situationen, Ereignisse zu verstehen und ihre Bedeutung zu entdecken. Ohne diese Weisheit wird das Leben fade, denn es ist gerade die Weisheit – deren lateinische Wortwurzel sapere sie mit sapor (Geschmack) verbindet – die dem Leben Geschmack verleiht.

Chancen und Gefahren


Wir können diese Weisheit nicht von Maschinen erwarten. Auch wenn der Begriff künstliche Intelligenz inzwischen den korrekteren, in der wissenschaftlichen Literatur verwendeten Begriff maschinelles Lernen verdrängt hat, ist allein schon die Verwendung des Wortes »Intelligenz« irreführend. Maschinen verfügen sicherlich über eine unermesslich größere Fähigkeit als der Mensch, Daten zu speichern und sie untereinander in Beziehung zu setzen, aber es ist kommt dem Menschen zu, und nur ihm, deren Sinn zu verstehen. Es geht also nicht darum von Maschinen zu verlangen, menschlich zu wirken. Es geht vielmehr darum, den Menschen aus der Hypnose zu wecken, in die er aufgrund seines Allmachtswahns verfällt, indem er sich für ein völlig autonomes und selbstbezügliches Subjekt hält, das von allen sozialen Bindungen losgelöst ist und seine Geschöpflichkeit vergessen hat.

In Wirklichkeit macht der Mensch seit jeher die Erfahrung, dass er sich selbst nicht genügt und er versucht, seine Verwundbarkeit mit allen Mitteln zu überwinden. Bei den frühesten prähistorischen Artefakten angefangen, die als Verlängerung der Arme benutzt wurden, über die Medien, die als Erweiterung des Sprechens eingesetzt werden, sind wir heute bei den ausgefeiltesten Maschinen angelangt, die als Hilfsmittel für das Denken dienen. Jede dieser Wirklichkeiten kann jedoch durch die Urversuchung vergiftet werden, ohne Gott wie Gott zu werden (vgl. Gen 3), d.h. aus eigener Kraft das erobern zu wollen, was eigentlich als Geschenk Gottes angenommen und in der Beziehung zu anderen gelebt werden sollte.

Anmerkungen:
1 Briefe vom Comer See, Berlin 1927, 93-96.
2 Als Fortsetzung zu den Botschaften der vorangegangenen Welttage der sozialen Kommunikationsmittel, die sich den Aspekten widmeten, den Menschen zu begegnen, wo und wie sie sind (2021), mit dem Ohr des Herzens zu hören (2022) und mit dem Herzen zu sprechen (2023).
3 Vgl. »Die Wahrheit wird euch befreien« (Joh 8,32). Fake News und Journalismus für den Frieden. Botschaft zum 52. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, 2018 [...]
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