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Dokumentation
Besuch in Neapel aus Anlass der Konferenz »Theologie nach Veritatis gaudium im Kontext des Mittelmeerraumes«

Im Mittelpunkt steht die Evangelisierung

Ansprache von Papst Franziskus am 21. Juni
Im Mittelpunkt steht die Evangelisierung
Liebe Studenten und Professoren,
liebe Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
meine Herren Kardinäle!

Ich freue mich, heute mit euch zusammenzutreffen und an dieser Konferenz teilzunehmen. Von Herzen erwidere ich den Gruß des lieben Bruders Patriarch Bartholomaios, ein großer Vorreiter von Laudato si’ – seit Jahren ein Vorreiter –, der mit einer persönlichen Botschaft zu den Reflexionen beitragen wollte. Ein Dank an Bartholomaios, den geliebten Bruder.

Der Mittelmeerraum ist seit jeher Ort der Durchreise, des Austauschs und zuweilen auch der Auseinandersetzungen. Viele von ihnen sind uns bekannt. Dieser Ort stellt uns heute vor eine Reihe von häufig dramatischen Problemen. Man kann sie in einige Fragen übersetzen, die wir uns beim interreligiösen Treffen in Abu Dhabi gestellt haben: Wie können wir in der einen Menschheitsfamilie füreinander sorgen? Wie kann man ein tolerantes und friedliches Zusammenleben fördern, das in echter Geschwisterlichkeit Ausdruck findet? Wie kann man bewirken, dass sich in unseren Gemeinschaften die Aufnahme des anderen durchsetzt, dessen, der anders ist als wir, weil er zu einer religiösen und kulturellen Tradition gehört, die anders ist als unsere eigene? Wie können die Religionen Wege der Brüderlichkeit sein und nicht Mauern der Trennung? Diese und andere Fragen müssen auf mehreren Ebenen analysiert werden und erfordern einen großherzigen Einsatz des Zuhörens, des Studiums und des Austauschs, um Prozesse der Befreiung, des Friedens, der Geschwisterlichkeit und der Gerechtigkeit zu unterstützen. Wir müssen davon überzeugt sein, dass es darum geht, Prozesse in Gang zu setzen, und nicht darum, Räume zu definieren, Räume zu besetzen … Prozesse in Gang setzen.

Eine Theologie der Aufnahme und des Dialogs


Im Rahmen dieser Konferenz habt ihr zunächst Widersprüche und Schwierigkeiten des Mittelmeerraumes analysiert und anschließend über die besten Lösungen nachgedacht. In dieser Hinsicht fragt ihr euch, welche Art von Theologie für den Kontext, in dem ihr lebt und arbeitet, angemessen ist. Ich würde sagen, dass die Theologie besonders in einem derartigen Kontext aufgerufen ist, eine Theologie der Aufnahme zu sein und einen aufrichtigen Dialog mit den sozialen und zivilen Institutionen zu entwickeln, mit den Universitäts- und Forschungszentren, mit den religiösen Führungspersönlichkeiten und mit allen Frauen und Männern guten Willens, und zwar mit dem Ziel, in Frieden eine inklusive und geschwisterliche Gesellschaft aufzubauen und sich auch für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen.

Wenn in der Einleitung von Veritatis gaudium die Vertiefung des Kerygmas und der Dialog als Kriterien für eine Erneuerung der kirchlichen Studien genannt werden, dann soll damit gesagt sein, dass letztere im Dienst des Weges einer Kirche stehen, die die Evangelisierung immer mehr in den Mittelpunkt stellt. Nicht die Apologetik, nicht die Lehrbücher, wie wir gehört haben: sondern evangelisieren. Im Mittelpunkt steht die Evangelisierung, die kein Proselytismus ist. Im Dialog mit den Kulturen und Religionen verkündet die Kirche die frohe Botschaft Jesu und die Praxis der evangeliumsgemäßen Liebe, die Jesus verkündet hat als Zusammenfassung der gesamten Lehre des Gesetzes, der Visionen der Propheten und des Willens des Vaters. Der Dialog ist vor allem eine Methode der Unterscheidung und der Verkündigung des Wortes der Liebe, das an jeden Menschen gerichtet ist und im Herzen jedes Menschen Wohnstatt nehmen will. Nur im Hören auf dieses Wort und in der Erfahrung der Liebe, die es mitteilt, kann man die Aktualität des Kerygmas erkennen und unterscheiden. Der so verstandene Dialog ist eine Form der Aufnahme.

Ich möchte erneut betonen, dass »die geistliche Unterscheidung die Hilfe der menschlichen, existentiellen, psychologischen, soziologischen oder moralischen Weisheit nicht aus[schließt]. Sie transzendiert sie jedoch. Nicht einmal die weisen Normen der Kirche reichen ihr aus. Erinnern wir uns immer daran, dass die Unterscheidung eine Gnade ist«, eine Gabe. […] »Die Unterscheidung führt letzten Endes zur Quelle des Lebens selbst, das nicht stirbt, zur Erkenntnis des Vaters, des einzigen wahren Gottes, und dessen, den er gesandt hat, Jesus Christus (vgl. Joh 17,3)« (Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 170). [...]
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