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Kirche in der Welt
Zum »Edith-Stein«-Gedenkjahr 2011/2012 – Internationale Konferenz in Breslau

Edith Stein und die Werte der neuen Ordnung des integrierten Europas

Edith Stein und die Werte der neuen Ordnung des integrierten Europas
In das »Edith-Stein«-Gedenkjahr 2011/ 2012 fallen mehrere »runde Jahrestage« aus dem Leben der Heiligen: Ihr 120. Geburtstag (12. Oktober 1891), ihr 70. Todestag (9. August 1942) und der 25. Jahrestag ihrer Seligsprechung (1. Mai 1987). Im Oktober v. J. fand an der Päpstlichen Theologischen Fakultät in Breslau in Polen eine Internationale Konferenz zum 120. Geburtsjahr der Heiligen mit dem Thema »Das Denken von Edith Stein – Vermächtnis, Aktualität und Anregungen« statt. Dabei referierte der em. österreichische Bundesratspräsident Prof. Dr. Herbert Schambeck über Edith Stein und die Werte Eurpas. Wir veröffentlichen im folgenden seinen Vortrag.

»Unser europäisches Selbstbewußtsein erwächst zwar im Bild dessen, was war, aber entscheidend ist es durch unsere gegenwärtige Existenz. Wir dürfen nicht in Masken der Vergangenheit, nicht als Gespenster des Gewesenen operieren. Wir können die Wahrheit des Vergangenen nur ergreifen, wenn wir sie in Erscheinung verwandeln«.

Diese Feststellung traf Karl Jaspers im Herbst 1946 in seinem Vortrag im Rahmen der »Rencontres internationales« in Genf und fügte die Frage hinzu: »Woraus kann die Verwandlung geschehen? Nur aus dem ursprünglichen Glauben, aus dem schon die Bibel hervorgegangen ist, aus dem Ursprung, der zu keiner Zeit war, sondern immer ist, dem ewig Wahren: Mensch und Gott, Existenz und Transzendenz.«

Dieses Zitat ist nicht allein aus der Sicht des Philosophen von Bedeutung, sondern für jeden, der nach den Kräften fragt, die für die Ordnung im Menschen und zwischen den Menschen bestimmend sind sowie zur Beantwortung letzter Fragen der Existenz des Menschen führen können. Aus diesem Grund hat es Bedeutung auch für die Philosophie des Rechts, und zwar auch in bezug auf das positive Recht; dieses bedarf nämlich zu dem Bestand seiner Geltung der Wirksamkeit und diese neben dem Normieren in seiner Rechtsetzung auch des Motivierens für die Rechtsanwendung.

Dieser Gemeinsamkeit von Normieren und Motivieren bedarf auch nach dem Reformvertrag von Lissabon die neue Ordnung des sich integrierenden Europas, damit sich Heimat-, Staatsund Europabewußtsein wechselseitig ergänzen und beispielgebend sowie wegweisend zum Frieden in der Völkergemeinschaft beitragen. Europa, von dem im 20. Jahrhundert zwei Weltkriege mit Millionen Menschenopfern ausgegangen sind, hat nämlich eine uns über die Zeitenwende begleitende Bringschuld, zu deren Erfüllung Edith Stein Richtung gebend ist.

Dieser Weg Edith Steins zu ihrer epochenüberschreitenden Heiligkeit und zu einer »urbi et orbi« unübersehbaren Egregia im wahrsten Sinne des Wortes führte durch eine schwere Zeit, die in den 51 Jahren ihres Erdendaseins Hosianna und Cruzifige dicht neben- sowie miteinander sein ließen.

Bei seinem ersten offiziellen Besuch in Polen wies schon Papst Johannes Paul II. am 7. Juni 1979 in Birkenau beim KZ Auschwitz, wo Edith Stein am 9. August 1942 vergast ihr Ende fand, auf die furchtbare Unmenschlichkeit dieser Zeit hin. Schon vor seiner Wahl zum Petrus-Nachfolger war er oft an dieser Stätte der Unmenschlichkeit gewesen, von der er mir selbst später bei einer mir gewährten Privataudienz sagte, daß es so tragisch wäre, daß sein eigener Geburtsort Wadowice diesem KZ als Ort des Grauens so nahe liegt.

Der Lebens-, Bildungs- und Glaubensweg von Edith Stein hat das jüdisch-christliche Erbe des Abendlandes besonders deutlich mit ihrem Übertritt vom mosaischen zum römisch-katholischen Glauben und der Taufe am 1. Jänner 1922 zum Tragen gebracht. Sie hat in dieser Katholizität zur Spiritualität gefunden, mit der sie in Freud und Leid bis zu ihrem Tod in der Gaskammer von Auschwitz am 9. August 1942 gläubig Jesus Christus entgegenging. Sie suchte das Wissen und den Glauben zu verbinden, weil sie wußte, daß der Glaube nach Erkenntnis sucht. »Fides et ratio« waren auch Anliegen des Pontifikats Papst Johannes Pauls II.

Edith Stein ging es um die Erkenntnis des Menschen als Person ganz im Sinne des lateinischen Wortes »personare«, was hindurch tönen bedeutet; man beachte auch, daß mit »prosopon« die Göttermaske im griechischen Kult bezeichnet wurde. [...]
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