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150 Jahre »Osservatore Romano«

150 Jahre »Osservatore Romano«
31. März 1959: Johannes XXIII. besichtigt in der Druckerei den Bleisatz der Zeitung.
Anfang Dezember wurde das kürzlich herausgegebene Buch »»Singolarissimo giornale. I 150 anni dell’ Osservatore Romano « in der italienischen Botschaft beim Heiligen Stuhl im Palazzo Borromeo vorgestellt. Im folgenden ein Beitrag dazu.

Von Sergio Romano

Im Geburtsjahr des »Osservatore Romano« 1861 gab es in Europa drei Kaiser: Franz Josef in Wien, Alexander II. in Petersburg und Napoleon III. in Paris. 15 Jahre später waren es vier: Einer von ihnen, Napoleon III., hatte seinen Thron verloren, aber 1870 hatte das vereinigte Deutschland in der Person Wilhelms I. einen Kaiser gewonnen, und 1876 wurde Victoria, Königin der Britischen Inseln, zur Kaiserin von Indien ausgerufen. Im kleinen Kreis der Staatsoberhäupter gab es eine weitere Persönlichkeit, die in gewisser Hinsicht ebenfalls als eine Art Kaiser betrachtet werden konnte. Es handelt sich um Pius IX., Papst seit 1846. Er hatte sein kleines Territorium 1870 verloren und war ein gewählter Monarch, der der Billigung anderer europäischer Herrscher unterworfen war (das letzte Veto sprach Franz Josef 1903 gegen Kardinal Rampolla aus). Aber er hatte seit 1870 eine Eigenschaft, die Unfehlbarkeit, die nicht einmal dem russischen Alleinherrscher zukam. Zwischen ihm und den anderen gab es also unter streng institutionellem Gesichtspunkt einen grundlegenden Unterschied. Während die Träger der kaiserlichen Macht in Wien, London, Berlin und Petersburg (Nikolaus II. von Rußland im Jahr 1905) einige ihrer alten Vorrechte an eine neue Macht abgeben mußten, an den »dèmos«, der nicht nach göttlicher Bestätigung fragte, hatte der Papst seine Autorität sogar konsolidiert und vermehrt. Und doch hatte dieser Herrscher im 15. Jahr seiner Regierung die Gründung einer Zeitung autorisiert, die zur Welt über die Kirche sprechen sollte und damit implizit die Reaktion der Welt auf seine Worte anregte.

Ohne es offen auszusprechen, hatte Pius IX. verstanden, daß die Gesellschaft sich wandelte und daß es, um ihr nicht den Rücken zuzukehren, notwendig war, sich einiger moderner Mittel zu bedienen. Über was aber würde – ohne sich nur auf Verkündigungen und Verbote zu beschränken – die Zeitung einer Institution sprechen können, die drei Jahre nach deren Gründung im »Syllabus« 80 »Irrtümer der Zeit« verurteilt hatte, vom Pantheismus über den Rationalismus und die Trennung von Kirche und Staat bis hin zur Zivilehe? [...]
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