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Kirche in der Welt
Predigt bei der Seligsprechung von Pallottinerpater Richard Henkes

Märtyrer der Nächstenliebe aus Liebe zu Christus

Märtyrer der Nächstenliebe aus Liebe zu Christus
Seliger P. Richard Henkes SAC (1900-1945)
Von Kardinal Kurt Koch

Die Seligen und Heiligen sind die Antworten Gottes auf die Fragen von uns Menschen. Und sie sind die besten Exegeten des Evangeliums. Denn sie haben das Wort Gottes nicht nur gelesen und interpretiert; sie haben es vor allem mit ihrem eigenen Leben bezeugt. Dies gilt in besonderer Weise vom seligen Pallottinerpater Richard Henkes, der sich während der Typhusepidemie, die im Konzentrationslager Dachau im Übergang zwischen den Jahren 1944 und 1945 ausgebrochen war, in den Quarantäneblock 17 freiwillig einschließen ließ, um die von dieser schweren Krankheit betroffenen Häftlinge zu pflegen, der sich dabei infiziert hat und am 22. Februar 1945 in Dachau gestorben ist. Die Lebenshingabe von Pater Henkes bis zum Tod für andere Menschen hat Papst Franziskus als Martyrium anerkannt; und der Heilige Vater hat entschieden, dass Pater Henkes seliggesprochen wird. Pater Henkes steht vor uns als Märtyrer der Nächstenliebe, der sein Leben als Opfer für Christus hingegeben und damit Anteil am Kreuz Jesu Christi erhalten hat.

Das Kreuz Jesu als Liebesbeweis Gottes

Es ist von daher ein ebenso schönes wie sinnvolles Zusammentreffen, dass die Seligsprechung von Pater Henkes am Fest der Kreuzerhöhung, das in der Diözese Limburg als besonderes Bistumsfest begangen wird, gefeiert werden kann. Denn Pater Henkes ist ein besonders glaubwürdiger Exeget der Verkündigungstexte des heutigen Festes, das uns das Kreuz Jesu als Zeichen der grenzenlosen Liebe Gottes zu uns Menschen nahe bringt. Der Evangelist Johannes verdichtet das Geheimnis des Kreuzes Jesu Christi in dem wunderbaren Spitzensatz: »Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat« (Joh 3,16). Das Kreuz ist die Erscheinung der größten Liebe Gottes zu uns Menschen. Und es ist das deutlichste Zeichen dafür, dass Jesus sich nicht bloß mit verbalen Liebeserklärungen an uns Menschen begnügt, dass er vielmehr einen sehr hohen Preis für seine Liebe bezahlt hat, indem er am Kreuz in Liebe sein Herzblut für uns Menschen investiert und uns das kostbarste Geschenk, das ewige Leben, gegeben hat.

Das Kreuz Jesu ist keineswegs, wie heute selbst nicht wenige Christen meinen, ein Gegensatz zur Liebe Gottes und kein Widerspruch zur Würde des Gottessohnes, sondern die glaubwürdige Darstellung seiner Liebe zu uns Menschen und zu seiner ganzen Schöpfung. Der Evangelist Johannes nimmt die in der alttestamentlichen Lesung berichtete Geschichte vom Aufhängen der Schlange aus Kupfer an einer Fahnenstange durch Mose als Vorausbild dafür, dass auch die Erniedrigung Jesu in seinem Leiden und Sterben bereits Erhöhung ist: »Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat« (Joh 3,14-15). Das Kreuz Jesu schenkt uns die wunderschöne Botschaft: Wer bis in den Tod hinein von Jesus Christus geliebt ist, der darf sich wirklich geliebt wissen und über dieses Geschenk der Erlösung froh werden. Denn in der Liebe Jesu am Kreuz sind wir erlöst von unseren Sünden; und seine Liebe ist der Wärmestrom der Erlösung, nämlich des Geschenks des ewigen Lebens.

Das heutige Kreuzfest lädt uns ein, im Geheimnis der Kreuzesliebe Jesu noch tiefer zu bohren. Aus eigener Erfahrung wissen wir alle, dass es Liebe nicht ohne Opfer und nicht ohne Leiden geben kann. Dies gilt zumal im Licht des christlichen Glaubens, in dem das Opfer seinem tiefsten Wesen nach nicht mit dem Bösen und der Sünde verbunden ist, sondern mit der Liebe. Denn Liebe gibt es nicht ohne Opfer; Liebe als Hingabe des eigenen Lebens für Andere ist Opfer. Dieses Liebesopfer hat Jesus am Kreuz für uns Menschen dargebracht, indem er die an ihm geübte Gewalt in Liebe für uns Menschen umgewandelt hat. Die Passion Jesu ist das Ur-Martyrium und zugleich das Urbild des Martyriums der ihm Nachfolgenden, die Anteilhabe am Kreuzesgeheimnis Jesu erhalten haben. [...]
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