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Kirche in der Welt
Menschen auf der Flucht – Eine Anfrage an Europa

Die Grenze Europas darf keine Grenze des Todes sein

Die Grenze Europas darf keine Grenze des Todes sein
Von Michael Landau
Präsident der Caritas Österreich


Europa durchlebt bewegte Zeiten. Krisen, die den Kontinent erreichen und fordern. Und Krisen, die den Kontinent von innen heraus vor große Herausforderungen stellen. Hunger, Krieg und Not auf der einen Seite und nationale Egoismen auf der anderen. Unsere Welt wird dabei zunehmend als das erfahrbar, was sie ja auch tatsächlich ist: als ein globalisiertes Dorf. Und in einem solchen Dorf liegt Syrien im Vorgarten, die Ukraine in der Nachbarschaft, das von einer Hungerkatastrophe bedrohte Äthiopien befindet sich bereits im Blickfeld. Dieses Leid geht uns etwas an und hat mit unserer Lebensrealität zu tun. Und einmal mehr wird deutlich: Wohlstandsinseln sind in einem Meer von Armut auf Dauer nicht stabil.

Bei seinem Besuch auf Lesbos drückte Papst Franziskus gemeinsam mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. und dem orthodoxen Erzbischof von Athen und ganz Griechenland, Hieronymos II., tiefe Besorgnis über die Situation der Flüchtlinge aus. In einer Erklärung hieß es: »Die Welt kann die kolossale humanitäre Krise nicht ignorieren, die durch die Verbreitung von Gewalt und bewaffneten Konflikten entsteht.« Und: »Aus Lesbos appellieren wir an die internationale Gemeinschaft, mutig auf diese massive humanitäre Krise und ihre Gründe zu reagieren – durch diplomatische, politische und wohltätige Initiativen.« Solange es erforderlich sei, müssten alle Länder Menschen in Not vorübergehend Asyl gewähren. »Europa steht heute einer der schlimmsten humanitären Krisen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gegenüber.«

Klima der Angst schadet


Asyl ist heiliges Recht, so hat es die Österreichische Bischofskonferenz unmissverständlich auf den Punkt gebracht. Und Kardinal Christoph Schönborn hat im Vorfeld der Stichwahl für das Amt des Bundespräsidenten ausdrücklich davor gewarnt, dass eintritt, was für Europa und darüber hinaus insgesamt gefährlich werden könnte – dass auf komplexe Anfragen vermeintlich einfache Antworten gegeben werden und dass der Prozess der europäischen Einigung »zurückbuchstabiert« wird. Kardinal Schönborn warnte vor einem Klima der Angst, das, statt sachlich über Chancen, Gefahren und Herausforderungen von Zuwanderung zu reden, auf einfache Antworten hofft. Denn klar ist – und das macht auch meine Arbeit als Präsident der Caritas deutlich: Nichts hemmt Solidarität mehr als ein Klima der Angst. Wir brauchen Brücken gerade dann, wenn die Gräben in der Gesellschaft tiefer zu werden drohen. Und wenn Europa auch in Zukunft mehr sein will als die Summe der einzelnen Teile, brauchen wir gerade jetzt Signale und Initiativen, die das Gemeinsame vor das Trennende stellen.

Österreich hat in den vergangenen Monaten Großes geleistet. Gemeinsam ist hier Vieles gelungen. Männer, Frauen und ihre Kinder wurden menschlich versorgt. Ihnen wurde zu tausenden Schutz und Obdach gegeben. Manche sind geblieben, viele sind weitergezogen. Mehr als 15.000 Menschen haben sich seit vergangenem Sommer allein bei der Caritas als Freiwillige gemeldet – zusätzlich zu den knapp 40.000 bisher –, um für Menschen in Not da zu sein. Zehntausende haben an den Bahnhöfen, an den Grenzen und an vielen anderen Orten Großartiges geleistet. Sehr viele leisten ihren Dienst an unserer Gesellschaft weiterhin in der Nachbarschaftshilfe, als Dolmetscher, helfen geflüchteten Menschen bei Behördenwegen. Nicht aus politischem Kalkül, sondern weil sie spüren, dass es jetzt auch auf sie ankommt. Schüler, Studierende, Senioren, Berufstätige in ihrer Freizeit. Sie reden nicht von Menschlichkeit und Solidarität, sondern leben diese Werte ganz konkret. Meist im Stillen. Meist abseits großer Bühnen und digitaler Foren. Diese Menschen machen das Potenzial der Anständigkeit deutlich, das in uns steckt. Der Möglichkeit nach, in jedem von uns. Denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Im Gegenteil: Er stirbt am Brot allein. [...]
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