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Kirche in der Welt
Audienz für die Teilnehmer an der Vollversammlung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen

Die Sehnsucht nach Einheit neu beleben

Ansprache von Papst Franziskus am 6. Mai
Die Sehnsucht nach Einheit neu beleben
Spaltungen unter Christen begünstigen nach den Worten von Papst Franziskus nach wie vor politische und militärische Konflikte. Angesichts des Ukraine-Krieges müssten sich alle Kirchen fragen, was sie getan haben und noch tun können, um zu einer friedlichen Weltgemeinschaft beizutragen, betonte der Papst vor den Teilnehmern an der Vollversammlung des päpstlichen Rates. An den Beratungen hatten erstmals Vertreter anderer Konfessionen teilgenommen.
Meine Herren Kardinäle,
liebe Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

Von Herzen begrüße ich euch alle und danke Kardinal Koch für die Worte, die er im Namen von euch allen, den Mitgliedern, Konsultoren und Mitarbeitern des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, an mich gerichtet hat.

Heute endet die Vollversammlung eures Rates, deren Abhaltung in Präsenz nun endlich möglich war, nachdem sie aufgrund der Pandemie mehrfach verschoben werden musste. Diese hat mit ihren tragischen Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben der ganzen Welt auch die ökumenischen Aktivitäten stark beeinträchtigt, da sie in den letzten beiden Jahren die üblichen Kontakte und die Realisierung neuer Projekte nicht zuließ. Zur selben Zeit aber bot die Gesundheitskrise auch eine Chance, um die Beziehungen unter den Christen zu stärken und zu erneuern.

Gemeinsam vorangehen

Eine erste bedeutsame Folge der Pandemie im Bereich der Ökumene war das erneuerte Bewusstsein, zu der einen christlichen Familie zu gehören, ein Bewusstsein, das verankert ist in der Erfahrung, dieselbe Zerbrechlichkeit zu teilen und allein auf die Hilfe, die von Gott kommt, vertrauen zu können. Paradoxerweise hat die Pandemie, die uns gezwungen hat, voneinander Abstand zu halten, uns verstehen lassen, wie sehr wir einander in Wirklichkeit nahe sind und wie stark wir füreinander verantwortlich sind. Es ist wichtig, dieses Bewusstsein weiterhin zu pflegen und daraus Initiativen entstehen zu lassen, die dieses Gefühl der Geschwisterlichkeit deutlich machen und wachsen lassen. Und diesbezüglich möchte ich unterstreichen: Heute ist es für einen Christen nicht möglich, nicht praktikabel, allein nur mit der eigenen Konfession auf dem Weg zu sein. Entweder gehen wir gemeinsam voran, alle Konfessionen geschwisterlich, oder es geht nicht voran. Heute ist das Bewusstsein für die Ökumene so, dass es undenkbar ist, den Glaubensweg ohne die Begleitung der Brüder und Schwestern anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften zu gehen. Und das ist etwas Großartiges. Allein, niemals. Wir können es nicht. Denn es ist leicht, diese tiefe Wahrheit zu vergessen. Wenn das in den christlichen Gemeinschaften geschieht, dann setzen sie sich ernsthaft der Gefahr der anmaßenden Haltung von Selbstgenügsamkeit und Autoreferentialität aus, die schwere Hindernisse für die Ökumene darstellen. Und das sehen wir. In einigen Ländern gibt es ein gewisses – sozusagen – egozentrisches Revival bei einigen christlichen Gemeinschaften, was ein Rückschritt ist und die Unfähigkeit voranzugehen mit sich bringt. Heute geht man entweder gemeinsam voran oder man kommt gar nicht voran. Dieses Bewusstsein ist eine Wahrheit und eine Gnade Gottes.

Noch vor dem Ende der Pandemie sah sich die ganze Welt mit einer neuen tragischen Herausforderung konfrontiert, dem Krieg, der derzeit in der Ukraine geführt wird. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat es immer regionale Kriege gegeben, und wie viele! – Denken wir zum Beispiel an Ruanda vor 30 Jahren, um nur einen zu nennen, aber denken wir auch an Myanmar, denken wir an … Aber weil sie weit weg sind, sehen wir sie nicht, während dieser Krieg nah ist und uns reagieren lässt. – So habe ich oft von einem stückweise geführten dritten Weltkrieg gesprochen, der ein wenig überall verstreut ist. Doch hat dieser wie alle anderen grausame, sinnlose Krieg eine größere Dimension, bedroht die ganze Welt und muss an das Gewissen jedes Christen und jeder Kirche appellieren. Wir müssen uns die Frage stellen: Was haben die Kirchen getan und was können sie tun, um »die Entwicklung einer weltweiten Gemeinschaft zu ermöglichen, in der eine Geschwisterlichkeit unter den die soziale Freundschaft lebenden Völkern und Nationen herrscht« (Enzyklika Fratelli tutti, 154)? Das ist eine Frage, über die wir gemeinsam nachdenken müssen. [...]
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