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Kirche in der Welt
Zum Anschluss Österreichs vor 80 Jahren

»Die Gegenwart ist in der Hand der Schurken«

»Die Gegenwart ist in der Hand der Schurken«
Am 12. Februar 1931 geht Radio Vatikan auf Sendung. Papst Pius XI. spricht auf Latein die ersten Worte in den Äther.
Von Paolo Valvo

»Es ist tröstlich, dass die Zukunft in Gottes Hand liegt: Die Gegenwart ist jedoch in der Hand der Schurken.« Mit diesen Worten – notiert vom späteren Kardinalstaatssekretär Domenico Tardini – kommentierte ein betrübter Pius XI. am Abend des 6. April 1938 die Ereignisse in Österreich: Nach dem Anschluss an das Dritte Reich, militärisch vollzogen in der Nacht vom 11. auf den 12. März, bereitete man sich dort auf die Volksabstimmung vor. Diese besiegelte vier Tage später endgültig die Vereinigung der beiden Länder, die nach dem Ersten Weltkrieg durch die Friedensverträge von Versailles (Art. 80) und Saint-Germain (Art. 88) hätte verhindert werden sollen.

Es war nicht die erste Verletzung der von der Pariser Friedenskonferenz (1919) festgelegten Normen durch das Hitlerregime, aber sicher die schmerzlichste für den Heiligen Stuhl, der sich fast 20 Jahre lang dafür eingesetzt hatte, der kleinen Österreichischen Republik – ein »vom Leib getrenntes Haupt«, wie Benedikt XV. mit anschaulichen Worten gesagt hatte – eine würdige und unabhängige Zukunft zu garantieren.

Gerade deshalb hatte Papst Pius XI., der für Politiker in Soutane bekanntlich wenig übrig hatte, ein Auge zugedrückt, denn Msgr. Ignaz Seipel war beinahe die ganzen 1920er-Jahre hindurch in den obersten Rängen des österreichischen Staates präsent. Seipel gelang es, das Vertrauen des Papstes nicht zu enttäuschen, als er dem Land die zum Überleben notwendigen internationalen Kredite garantieren und sich auch gegenüber der – zuweilen sogar bewaffneten – Opposition der Sozialisten behaupten konnte. Am Ende seiner politischen Laufbahn erarbeitete der Prälat sogar einen ehrgeizigen Plan zur Verfassungsreform, der einige Jahre später durch die Arbeit des Kanzlers Engelbert Dollfuß umgesetzt wurde. Er zielte darauf ab, die Rolle der Exekutive gegen das zu stärken, was als Gefahr eines übertriebenen Parlamentarismus wahrgenommen wurde.

Unter der Leitung von Dollfuß, der sich seiner eigenen Aussage nach treu an den Weisungen der Enzyklika Quadragesimus annus von Pius XI. (1931) orientieren wollte, wurde Österreich zu einem Bezugspunkt für all jene Katholiken, die in Europa und andernorts schon lange über eine ideale Staatsform nachdachten. Sie meinten, dass man einen »dritten Weg« finden müsse, der es gestatten würde, die Ungerechtigkeiten des liberalistischen Kapitalismus und gleichzeitig die Gefahren des sozialkommunistischen Kollektivismus zu vermeiden. Mit der Verfassung , die am 1. Mai 1934 in Kraft trat – am selben Tag, an dem gewiss nicht zufällig auch das Konkordat mit dem Heiligen Stuhl ratifiziert wurde, das Dollfuß am 5. Juni 1933 im Vatikan unterzeichnet hatte –, entstand der »christliche Ständestaat«, der die parlamentarische Demokratie endgültig abschaffte und sie durch ein autoritäres Regime ersetzte, das seine Gegner (vielleicht etwas voreilig) als »Austrofaschismus« etikettierten.

Pius XI. setzt seine Autorität ein


In diesem Regimewechsel war die Rolle des Heiligen Stuhls alles andere als passiv oder unbedeutend. Die im Staatssekretariat aufbewahrten Dokumente zeigen im Gegenteil, dass Papst Pius XI. seine ganze Autorität einsetzte, um die Wende in Österreich zu unterstützen. Im Dezember 1933 überzeugte er zunächst Bundespräsident Wilhelm Miklas, sich einer Änderung der Verfassung, auf die dieser zuvor seinen Eid geschworen hatte, nicht zu widersetzen. Bei dieser Gelegenheit betonte der Papst: »Die Verfassung ist für das Volk da, nicht das Volk für die Verfassung. « Und wenig später – im Februar 1934 – lehnte er es ab, Dollfuß Mäßigung nahezulegen bei der Unterdrückung des bewaffneten Aufstands, an dessen Spitze die Sozialisten des »Republikanischen Schutzbunds« standen, obwohl er vom französischen Botschafter beim Heiligen Stuhl, François Charles-Roux, vertraulich sowie von Seiten wichtiger Persönlichkeiten der katholischen Welt in Europa, unter ihnen Jacques Maritain und Luigi Sturzo, öffentlich darum gebeten worden war. [...]
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