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Kirche in der Welt
Globalisierung und Migranten

Wie viele Mythen gilt es doch zu zerstören

Wie viele Mythen gilt es doch zu zerstören
Zusammengepfercht auf Schleuserbooten versuchen Tausende Flüchtlinge Italiens Küste zu erreichen. Wenn solch ein Boot sinkt, gibt es für die wenigsten Hoffnung. Erst kürzlich ist es im Mittelmeer zu einem der schrecklichsten Flüchtlingsdramen gekommen. Ein Boot mit rund 800 Flüchtlingen kenterte auf dem Weg nach Italien. Nur 28 Menschen konnten gerettet werden.
Von Cristian Martini Grimaldi

»Die kulturelle Herausforderung der Migrationen«: Für den maltesischen Jesuiten René Micallef ist in diesem Satz vor allem das Adjektiv »kulturell« von Bedeutung. Micallef, der uns in seinem Arbeitszimmer empfängt, studierte Biologie an der Universität Malta, absolvierte dann in Genua das Noviziat und zog anschließend nach London. Von da siedelte er nach Paris über, um Moraltheologie zu studieren, und anschließend nach Boston, um an seiner Doktorarbeit über Ethik und Migrationspolitik zu arbeiten.

Wo sehen Sie zwischen den Vereinigten Staaten und Europa die größten Unterschiede in der Aufnahme- und Integrationspolitik?

Man muss genau unterscheiden zwischen den Vereinigten Staaten und Europa: In den USA gibt es ein tief verwurzeltes Bewusstsein dafür, ein Land zu sein, das aus einem Migrations-Phänomen hervorgegangen ist und wo folglich gut strukturierte Kanäle vorhanden sind, um alljährlich mindestens eine Million legale Einwanderer aufzunehmen. In Europa dagegen wird das Phänomen der Migration noch immer als Ausnahmezustand oder als etwas Neues wahrgenommen. So haben sich beispielsweise die südeuropäischen Länder im Lauf von gerade einmal dreißig Jahren von Auswanderungsländern in Einwanderungsländer verwandelt. Um gar nicht erst von den osteuropäischen Ländern zu reden, oder von Malta selbst, die dieselbe Wandlung durchlaufen haben, aber in gerade einmal zehn Jahren.

Auch heute noch werden viele Ängste auf die Immigranten projiziert, angefangen bei der Arbeitslosigkeit bis hin zu Verbrechen: wie erklären Sie sich das?

Im Fernsehen sehen wir die Boote, die vollgestopft mit verzweifelten Menschen aus Afrika kommen, aber diese Menschen stellen gerade einmal 12 Prozent aller Migrationsströme dar. Der größte Teil der Migranten reist im Flugzeug oder im Zug mit einem Touristenvisum an. Dabei handelt es sich also nicht um diese vom Schicksal verfolgten armen Schlucker, die wir um ihr Leben kämpfen sehen. Das Spektakel, das die Medien um die Gestalt des Migranten gemacht haben, lässt an eine unablässige Krise denken, an einen immer wiederkehrenden Notstand, für den es keinerlei Lösungen gibt. Im Übrigen sind viele der Aspekte, die uns im Zusammenhang mit den Fremden erschrecken, reine Mythen.

Vom wirtschaftlichen Standpunkt her betrachtet, haben zahlreiche Untersuchungen erwiesen, dass die Immigranten keineswegs den Bürgern des Landes, in das sie kommen, die Arbeitsplätze rauben. Und dasselbe gilt auch für eine krisengeschüttelte Wirtschaft in Ländern wie etwa Italien, weil die Immigranten in Wirklichkeit Reichtum produzieren und in diesen Ländern neue Arbeitsplätze auch für die einheimische Bevölkerung schaffen. Ein Land, dessen Bevölkerung die Tendenz aufweist, immer mehr zu überaltern, wird zunehmend Bedarf an Altenpflegern und an Betreuern für Behinderte haben und wird immer weniger junge Menschen haben, die für die Arbeit auf den Feldern und in der Industrie zur Verfügung stehen. [...]
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