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Kirche in der Welt
Francesa Romana – die Heilige des Monats

Frei, ich selbst zu sein

Frei, ich selbst zu sein
Caravaggio (1571-1610); Franziska wird von einem Engel belehrt; Sakristei der Kirche San Pietro in Perugia
Von Francesca Romana de’Angelis

Rom, 9. März 1440. Heute Abend wird es nur sehr gemächlich Nacht. Ich sitze am Fenster und betrachte das letzte Licht dieses lieblichen Tages, der bereits die Vorboten des nahen Frühlings gebracht hat. Ein Gespinst aus goldenen Fäden hat mir meinen Schutzengel gezeigt. Seitdem habe ich nicht auf die Zeit geachtet, aber heute früh habe ich verstanden, dass mein Lebenswerk vollendet ist. Nach einigen am Lager meines kranken Sohnes verbrachten Tagen bereitete ich meine Rückkehr nach Tor de’Specchi vor, in die kleine Ordensgemeinschaft, die ich gegründet habe und wo ich bereits seit einigen Jahren lebe, als P. Giovanni, mein teurer geistlicher Führer, zu mir sagte: Ihr seid müde, bleibt doch hier. Ich habe seine Einladung angenommen und bin geblieben, weil seine Worte mir ein Vorzeichen zu sein schienen.

In diesem Haus in Trastevere, meiner ehelichen Wohnung, habe ich den größten Teil meines Lebens zugebracht, und vielleicht ist es richtig, dass der letzte Knoten gerade hier in diesen Mauern gelöst wird. Ich habe keine Angst vor dem Tod, denn ich hoffe darauf, die Fülle jenes Guten zu erreichen, das mir in meinen Ekstasen zu sehen gewährt worden ist: ein Ozean aus grenzenlosem Licht, Engel, die wie Schneeflocken den Himmel übersäen, Maria, die mich mit ihrem Mantel schützte und mir das Kind in meine Arme legte. Ich habe keine Angst, aber der Abschied fällt mir dennoch schwer. Neben dem Sohn, den ich in meinem Leib getragen habe, lasse ich viele andere zurück, da ich ja alle, die ich liebte, als meine Kinder angesehen habe. Ihnen nicht mehr zu Hilfe kommen zu können, wenn sie Trost brauchen: das ist der einzige Gedanke, der mich melancholisch stimmt.

Nach dort oben, unter die Sterne, werde ich nur weniges mitnehmen, das ich bedaure – die niemals ausgesprochnen Worte, nie ausgeführte Gesten, das Viele, das zu wenig war –, und zahllose Erinnerungen. Roms rosafarbenen Himmel, mit dem das Grün der Pinien kontrastierte; die Stimme meiner Mutter, die mir die Evangelien und die »Göttliche Komödie« vorlas; das große Herz meines Gatten Lorenzo; das fröhliche Gelächter meiner drei Kinder, als sie noch Kinder waren; den Duft der römischen Minze, die zwischen den Steinen entlang der Via Sacra sprießt, die bis nach Santa Maria Nova, zu meiner Lieblingskirche, führte; das kleine Eselchen, das mit seiner Last an Holz und Lebensmitteln mein treuer Gefährte auf den Straßen dieser Stadt gewesen ist. Ein einziges Wort der Sprache dieser Welt nehme ich mit, die »Sanftmut«, da es eines jener Worte ist, die unendlich viele andere in sich bergen: Liebe, Trost und Zärtlichkeit. Wie das Wort »Hunger« nicht nur Hunger, sondern auch Leiden, Demütigung, Einsamkeit und Angst tief in sich trägt.

Ich habe in zutiefst traurigen Zeiten gelebt. Päpste, Gegenpäpste; Rom wurde von Fremden besetzt oder beherrscht von mächtigen Familien, die die Macht erobern wollten. Und Todesfälle, Hungersnöte, der unheilbringende Schatten der Pest. Ich habe auch viel Schmerz erduldet. Am schlimmsten war der Verlust von zweien meiner Kinder, Giovanni und Agnese, eine grausame Wunde jener Art, die nichts auf Erden je zu heilen vermag. Und dennoch sehe ich im Rückblick auf mein Leben, dass mir viel Gnade zuteil geworden ist. Die ersten Jahre meines Lebens waren glücklich und behütet, ein kostbarer Schrein intakter Kräfte, von denen ich dann zehren konnte, als mir das Leben die Reinheit meiner Träume zu rauben drohte. Ich war dem Kindesalter noch nicht entwachsen, da träumte ich bereits von einem Leben in Einsamkeit und Gebet, als mein Geschick einen anderen Weg einschlug. Zu schön, um Klosterfrau zu werden, meinte mein Vater. Mein Widerspruch war zwecklos. Am Schluss gab ich mein Jawort, doch nur aus Kindesliebe. [...]
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