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Kirche in der Welt
Interview von Andrea Tornielli mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin zum Krieg in der Ukraine

»Es ist nie zu spät für eine Einigung«

»Es ist nie zu spät für eine Einigung«
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin
»Krieg ist Wahnsinn, er muss beendet werden!« Das sagt Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in einem Interview mit den vatikanischen Medien über die Eskalation des Krieges im Herzen Europas. »Wir müssten ein Herz aus Stein haben, um teilnahmslos zu bleiben und zuzulassen, dass diese Zerstörung weitergeht, dass weiterhin Flüsse von Blut und Tränen fließen.«

Eminenz, können Sie zunächst die Position des Heiligen Stuhls zu dem aktuellen Konflikt zusammenfassen?

Die Position des Heiligen Stuhls ist die, die der Papst mehrfach wiederholt hat: ein klares Nein zum Krieg. Krieg ist Wahnsinn, er muss beendet werden. Wir appellieren an das Gewissen aller, dass die Kämpfe sofort eingestellt werden! Wir haben die schrecklichen Bilder vor Augen, die aus der Ukraine kommen. Die Opfer unter der Zivilbevölkerung, Frauen, alte Menschen, wehrlose Kinder, die den Wahnsinn des Krieges mit ihrem Leben bezahlt haben. Die Angst wächst, wenn wir Städte mit ausgebrannten Häusern, ohne Strom, bei Minusgraden und ohne Lebensmittel und Medikamente sehen. Ebenso wie die Millionen von Flüchtlingen, meist Frauen und Kinder, die vor den Bomben fliehen.

In den letzten Tagen bin ich einer Gruppe von ihnen begegnet, die aus verschiedenen Teilen der Ukraine nach Italien gekommen sind: leere Blicke, Gesichter ohne Lächeln, unendliche Traurigkeit ... Welche Schuld haben diese jungen Mütter, welche Schuld haben ihre Kinder? Man müsste ein Herz aus Stein haben, um teilnahmslos zu bleiben und zuzulassen, dass diese Zerstörung weitergeht, dass weiterhin Flüsse von Blut und Tränen fließen. Krieg ist eine Barbarei!

Es ist bezeichnend, dass der Heilige Vater beim Angelus am Sonntag, dem 27. Februar, auf Artikel 11 der italienischen Verfassung verwiesen hat, in dem es heißt: »Italien lehnt den Krieg gegen die Freiheit anderer Völker und als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten ab.« Wer Krieg führt, lässt sich auf die teuflische Logik der Waffen ein und vergisst die Menschlichkeit: Wie viele Beispiele haben wir für die Wahrheit dieser Worte! Wir vergessen sie oft – manchmal, weil sie Kriege betreffen, die wir als »weit weg« betrachten, die aber in Wirklichkeit in unserer vernetzten Welt nie wirklich weit weg sind.

Der Papst hat (in einer beispiellosen Geste) am Tag nach Beginn des Angriffs der Moskauer Armee in der Ukraine die russische Botschaft besucht – warum?

Sie haben Recht, wenn Sie die Geste von Papst Franziskus als beispiellos bezeichnen. Der Heilige Vater wollte den Behörden in Moskau seine ganze Besorgnis über die Eskalation des Krieges, der gerade begonnen hatte, zum Ausdruck bringen, und er beschloss, einen persönlichen Schritt in diese Richtung zu unternehmen. Darum hat er sich an die diplomatische Vertretung der Russischen Föderation beim Heiligen Stuhl gewandt.

In den letzten Tagen haben Sie ein Telefongespräch mit dem russischen Außenminister Lawrow geführt. Was haben Sie einander gesagt?


Ich habe ihm gegenüber den Aufruf des Papstes zu einem sofortigen Waffenstillstand wiederholt. Außerdem habe ich ein Ende der Kämpfe und eine Verhandlungslösung des Konflikts gefordert und auf der Achtung der Zivilbevölkerung und auf humanitären Korridoren bestanden. Ich habe auch – wie der Papst am vergangenen Sonntag beim Angelus – die uneingeschränkte Bereitschaft des Heiligen Stuhls für jede Art von Vermittlung bekräftigt, die den Frieden in der Ukraine fördern könnte.

Trotz der Appelle, auf den Einsatz von Waffen zu verzichten, sehen wir uns einer Eskalation gegenüber, die nicht nachzulassen scheint. Warum?


Krieg ist wie ein Krebsgeschwür, das wächst, sich ausbreitet und sich selbst nährt. Es ist ein Abenteuer ohne Wiederkehr, um es mit den prophetischen Worten des heiligen Johannes Paul II. zu sagen. Leider müssen wir es erkennen: Wir sind in einen Strudel geraten, der unabsehbare und schädliche Folgen für alle haben kann. Wenn ein Konflikt im Gange ist, wenn die Zahl der wehrlosen Opfer wächst, ist es immer schwierig, umzukehren – auch wenn es nicht unmöglich ist, falls ein wirklicher Wille dazu besteht, ist es schwierig, Verhandlungen mit aller Kraft fortzusetzen, jeden möglichen Weg zu einer Lösung zu beschreiten, beharrlich Friedensinitiativen zu ergreifen.

Wir dürfen der Logik der Gewalt und des Hasses nicht nachgeben. Wir dürfen auch nicht der Logik des Krieges nachgeben und uns damit abfinden und jeden Hoffnungsschimmer löschen. Wir müssen alle gemeinsam – wie es der Papst tut – Gott und die Menschheit anflehen, keine Waffen mehr einzusetzen und den Frieden wiederherzustellen.

Die Welt hat sich innerhalb weniger Tage völlig verändert: Jetzt ist viel von Aufrüstung die Rede, von neuen Militärausgaben, von der Notwendigkeit, zu Kohlekraftwerken zuarückzukehren, die den ökologischen Wandel abwürgen ... [...]
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