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Kirche in der Welt
Der Erzbischof von Berlin, Rainer Maria Kardinal Woelki, gibt Einblicke in sein wichtiges Amt

Oberhirte in einem multireligiösen Schmelztiegel

Oberhirte in einem multireligiösen Schmelztiegel
Über seine Eindrücke, die er beim Konsistorium in Rom gewonnen hatte, und über seine anspruchsvolle Aufgabe als Erzbischof von Berlin sprach Kardinal Woelki in einem Interview mit Gianluca Biccini, einem Redakteur unserer Zeitung. In seinen Antworten berichtet er auch über die Tätigkeit als Vorsitzender der Caritas-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz.

Frage: Sie sind der Jüngste des Kardinalskollegiums. Sehen Sie Ihr Alter als einen Vorteil oder als eine Grenze in diesem Kreis?

Kardinal Woelki: Weder noch. Ich bin halt gegenwärtig »erst« 55 Jahre alt und damit der Jüngste im Kreise der Kardinäle – eine Gnade, die bis zum nächsten Konsistorium währt, dann aber wahrscheinlich auch wieder beendet sein wird, weil ein anderer die Position des Benjamin einnimmt. Das Kollegium hat mich sehr herzlich und mitbrüderlich aufgenommen. Im Übrigen glaube ich, daß Respekt und Anerkennung vor allem durch die Kraft des Wortes bzw. des Argumentes sowie durch das persönliche Lebens- und Glaubenszeugnis erlangt wird und damit unabhängig vom Lebensalter ist.

Welche Eindrücke haben Sie vom Konsistorium während der Tage in Rom bekommen?

Kardinal Woelki: Ich habe diese Tage als atmosphärisch sehr dicht erlebt. Am Tage vor dem öffentlichen Konsistorium haben sich die Kardinäle gemeinsam mit dem Heiligen Vater sehr intensiv mit den Chancen und Möglichkeiten der Neuevangelisierung sowie dem bevorstehenden Jahr des Glaubens auseinandergesetzt. Beeindruckt haben mich dabei vor allem die persönlichen Glaubens- und Lebenszeugnisse einzelner Kardinäle, wie etwa das des neuen Kardinals von Hongkong. Festlich, freudig und herzlich waren dann die Erlebnisse rund um das öffentliche Konsistorium. Der Heilige Vater ist jedem der neuen Kardinäle mit einer großen Herzlichkeit und Zugewandtheit begegnet. Überrascht hat mich die riesige Anteilnahme der Gläubigen aus aller Welt.

Von Köln, wo Sie geboren wurden, wo Sie Ihre Ausbildung erhielten und wo Sie die Priester- und später die Bischofsweihe empfangen haben, wurden Sie nach Berlin, in die Hauptstadt der vereinten Republik Deutschland, berufen. Wie unterscheiden sich diese beiden Städte auch in kirchlicher Hinsicht?

Kardinal Woelki: Berlin ist natürlich nicht nur in demografischer Hinsicht sehr viel größer als Köln. Berlin ist auch ein größerer multikultureller und multireligiöser Schmelztiegel als Köln. Der Dialog mit anderen Religionen, Skeptikern und Nichtglaubenden wird hier sehr viel intensiver geführt als woanders. Zudem ist die Berliner Kirche natürlich immer noch besonders durch die Zeit der SED-Diktatur geprägt, eine Zeit, in der Christen nicht immer ihren Glauben frei leben durften und für den viele bereit waren, persönliche und berufliche Nachteile in Kauf zu nehmen.

Am 27. August des vergangenen Jahres wurden Sie in Berlin feierlich in Ihr Amt eingeführt. Knapp einen Monat später haben Sie den deutschen Papst Benedikt XVI. zu seinem Besuch in der Heimat willkommen geheißen. Welche Erinnerungen haben Sie an dieses Ereignis?

Kardinal Woelki: Zunächst natürlich das vom Heiligen Vater gleich bei seiner Ankunft in Berlin benannte Ziel seiner Reise: Er komme, »um den Menschen zu begegnen und um über Gott zu sprechen«. Das wird mir weiterhin in lebendiger Erinnerung bleiben: seine stille, schlichte Bescheidenheit, das volle Rund unseres Berliner Olympiastadions, die herzliche Offenheit der Begegnung zwischen dem Papst und den Gläubigen, die glaubensfrohe und -starke Gebetsatmosphäre, der offene Himmel an diesem Abend über uns. In Erinnerung bleiben wird sicher auch seine tiefgründige Ansprache vor dem Parlament unseres Landes, wo er vor dem Gesetzgeber den verborgenen Grundlagen unseres Rechts nachzuspüren suchte, um diese letztlich in Gott selber festzumachen – in einem intellektuell brillanten Vortrag, den die Presse später die »anspruchsvollste Rede« nannte, »die je in diesem Hohen Hause gehalten wurde«. [...]
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