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Kultur
Die Stationsgottesdienste der Fastenzeit und Osterwoche in der Ewigen Stadt (Teil I)

Ausdruck der Einheit der römischen Gemeinde mit ihrem Bischof

Ausdruck der Einheit der römischen Gemeinde mit ihrem Bischof
Prozession bei einem Stationsgottesdienst in Rom.
Von Ulrich Nersinger

Wer sich während der Fastenzeit oder der Osteroktav in der Ewigen Stadt aufhält, hat die Gelegenheit einen liturgischen Brauch kennen zu lernen, der seinen Ursprung auf die ersten christlichen Jahrhunderte zurückführen darf: den römischen Stationsgottesdienst.

Der Pontificia Accademia Cultorum Martyrum ist die Durchführung dieser Liturgie anvertraut. In großer Prozession, unter dem Gesang der Allerheiligenlitanei, zieht man in das Gotteshaus ein. Dort sind der Hochaltar und die Seitenaltäre mit den Reliquien der Kirche festlich geschmückt. Es schließt sich dann die Feier des heiligen Messe an, oft zelebriert von einem Kardinal, Bischof oder sonstigen hohen geistlichen Würdenträger. Gegen Ende des Gottesdienstes, wenn in der Kirche das Kreuz oder gar ein echtes Partikel vom ihm mit dem kraftvollen Gesang des Vexilla regis prodeunt verehrt wird, begibt sich ein Mitglied des Collegium Cultorum Martyrum zur Kirchenpforte. Dort befestigt es ein kleines rotes, mit christlichen Symbolen geschmücktes Banner, dem labarum des römischen Heeres nicht unähnlich. Das »Feldzeichen« beruft die Gläubigen, die das Gotteshaus verlassen, zur statio des folgenden Tages ein und benennt in lateinischer Sprache Ort und Zeitpunkt.

Der Ursprung der Stationsgottesdienste

»Das Wort statio stammt aus der römischen Soldatensprache und bedeutet soviel wie Wache oder Wachtposten. Wie der Wachtdienst im Heer an einen festen Ort gebunden war und strengste Zucht und gewissenhafte Pflichterfüllung erforderte, so waren die Stationsgottesdienste eine Art Wachtdienst der Kirche, bei denen die Christen, eingedenk ihrer obersten Pflicht, dem Herrn mit unbedingter Hingabe zu dienen, alle weltlichen Beschäftigungen und Sorgen zurückstellten, um sich ganz der Betrachtung der göttlichen Geheimnisse zu widmen«, so schrieb Paolo Salviucci in einem Artikel für die Zeitschrift L’Illustrazione Vaticana.

Schon der Kirchenschriftsteller Tertullian bestätigt ausdrücklich die Ableitung des gottesdienstlichen Wortes statio aus der Militärsprache; er schreibt in seiner Schrift De oratione, daß die Zusammenkünfte der Gläubigen nach soldatischen Sprachgebrauch statio genannt wurden, da die Christen die Streitschar Gottes seien. In seinen Tesori nascosti nell’Alma Città di Roma findet Ottavio Panciroli noch einen weiteren versteckten militärischen Sinn: dem alten Gebrauch gemäß wohnten die Gläubigen an den Sonntagen und an allen Tagen der österlichen Zeit dem Gottesdienst stehend bei; damit diese Haltung nicht weniger andächtig, ja noch feierlicher ist als das Knien, mußte man aufrecht und gerade stehen, wie Soldaten »in Reih’ und Glied« vor ihrem Hauptmann.

Eine andere etymologische Deutung für statio soll nicht verschwiegen werden. Denkbar wäre, daß statio nicht von stare (stehen) kommt, sondern von statuere (festsetzen). Denn von Anfang an fanden die Stationen an bestimmten Tagen – statutis diebus – statt; die Tage waren von vornherein festgesetzt, ebenso wie die Orte. Doch auch die Formulierungen in den Gebeten der Stationsgottesdienste sprechen eher für die »militärische« Deutung. So wurde, wenn der Papst bei der ersten Station in der Fastenzeit von »S. Anastasia« den Aventin hinauf nach »S. Sabina« zog, in der Oration des Sacramentarium Gregorianum und des Missale Romanum gebetet: »Verleihe uns, Herr, den Wehrdienst im christlichen Heer mit diesen heiligen Fasten anzutreten, damit wir im Kampfe gegen die bösen Geister mit Hilfe der Enthaltsamkeit stark seien«.

Die Ursprünge der kirchlichen stationes dürften in vorkonstantinischer Zeit liegen. Sicher ist: Die Christen Roms versammelten sich mit ihrem Vorsteher in einer vorher angegebenen Kirche unweit der Stationskirche (collecta) und zogen unter dem Gesang der Psalmen und des Kyrie, eleison zu dem Gotteshaus der Station. Dort wurde dann die Meßfeier gehalten. Aus Schriften, die der Regierungszeit Papst Damasus’ (366– 384) entstammen, ist erkenntlich, daß die unter dem Vorsitz oder im Auftrag des Bischofs gehaltene gottesdienstliche Versammlung als statio bezeichnet wurde. [...]
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