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Kultur
Der Besuch eines deutschen Staatsoberhauptes in schwierigen Zeiten

Eine Audienz für Kaiser Wilhelm II.

Eine Audienz für Kaiser Wilhelm II.
Kaiser Wilhelm II. im Damasushof des Apostolischen Palastes (1888)
Von Ulrich Nersinger

Das Treffen Kaiser Wilhelms II. mit Papst Leo XIII. am 12. Oktober 1888 im Apostolischen Palast des Vatikans war für den Heiligen Stuhl ein bedeutsames Datum. Der Staatsbesuch des deutschen Monarchen verschaffte den Päpsten die Möglichkeit, trotz der ungelösten »Römischen Frage«, des Konflikts mit dem Königreich Italien, Staatsoberhäupter aus aller Welt ohne den Verzicht auf politische Ansprüche zu empfangen.

Staatsbesuche beim Papst mußten nach dem 20. September 1870 für alle Beteiligten zu einem diplomatischen Hochseilakt werden. Katholischen Fürsten war es ohne Verletzung eines nach der Annexion des Kirchenstaates von seiten des Heiligen Stuhls verhängten Verbotes unmöglich, dem königlichen Rom einen offiziellen Besuch abzustatten. So konnte Kaiser Franz Josef I. die Besuche König Umbertos I. in der Donaumetropole (1880 und 1881) nicht mit Reisen nach Rom erwidern. Das Betreten des Quirinals durch einen katholischen Monarchen kam nicht in Frage; hätte sich dann der Kaiser – wohlmöglich mit der Hofequipage des italienischen Königs – zum Vatikan begeben, wären ihm die Tore des Apostolischen Palastes mit Sicherheit versperrt geblieben.

Festlegung des Protokolls

Für protestantische Fürsten galt das päpstliche Verbot zwar nicht, dennoch bemühten sich auch diese Monarchen, auf den Heiligen Stuhl Rücksicht zu nehmen. So brachte der Rombesuch Kaiser Wilhelms II. im Oktober 1888 eine ungewöhnliche, aber äußerst praktikable Lösung. Um das Protokoll festzulegen, das eine Mißachtung der päpstlichen Rechte und die Verletzung italienischer Empfindlichkeiten ausschloß, war von deutscher Seite aus Graf Herbert von Bismarck mit dem Apostolischen Nuntius am Wiener Hof in Verhandlungen getreten; im Vatikan hatte der Papst die Zeremonialkongregation eigens einberufen, um sich in seinem Verhalten gegenüber protestantischen Souveränen, die ihn aufsuchen wollten, beraten zu lassen. Diplomaten und Protokollverantwortliche kamen zu einem »Accord«, der sowohl den Quirinal als auch den Vatikan zufriedenstellen konnte. Der Kaiser sollte sich am Tag der Audienz zur Residenz des preußischen Gesandten, die exterritorialen Status besaß, begeben und von dort in einem eigens dafür aus Berlin beorderten vierspännigen Galawagen den Weg zum Vatikan nehmen. So würde der Kaiser in seinem eigenem Gefährt »direkt« von deutschem Boden aus zum Apostolischen Palast fahren.

Das preußische Amtsblatt stellte seinen Lesern den genauen Verlauf des Staatsbesuches vor: »Für Kaiser Wilhelms Besuch im Vatikan, welcher am Freitag, den 12. Oktober stattfindet, sind folgende Anordnungen getroffen: Der Cardinal Staatssecretär Rampolla wird am Donnerstag Abend nach der Ankunft des Kaisers in Rom seine Karte für den Kaiser auf der Preußischen Gesandtschaft beim Vatikan abgeben und am folgenden Tage an einem Frühstück bei dem Gesandten v. Schlößzer theilnehmen, zu welchem Se. Majestät der Kaiser und König sein Erscheinen zugesagt hat. Außer Cardinal Rampolla und dem Cardinal Hohenlohe sind noch der päpstliche Unterstaatssekretär Sekretär Agliardi geladen. Graf Herbert Bismarck wird den Kaiser begleiten. [...]
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