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Kultur
Spaziergänge durch Rom – Mittelalterliche Straßenzüge im Zentrum einer Metropole

Eine Mischung aus Alltag und Geschichte

Eine Mischung aus Alltag und Geschichte
Darstellungen der Muttergottes sind auch an den Straßen zu sehen, zum Beispiel diese barocke Figur an einer Häuserecke der Via del Pellegrino.
Von Silvia Montanari

Die Autorin ist auf ihrem Spaziergang um die Piazza di San Pantaleo an dem Renaissancegebäude gegenüber der Kirche angekommen und führt uns dann am Campo dei Fiori vorbei durch mittelalterliches Straßengewirr. Hier gibt es unter anderem das Geburtshaus eines berühmten Dichters zu entdecken, der später zum Wiener Hofdichter aufstieg.

Heute ist in der »Piccola Farnesina ai Baullari« – so benannt nach der Straße der Koffermacher (großer Reisekoffer: »baule«) – das »Museo Barracco» untergebracht. Dabei handelt es sich um eine ansehnliche Sammlung antiker Skulptur des reichen, aus Kalabrien stammenden Staatsmannes Giovanni Barracco (geb. 1829 Isola di Capo Rizzuto, gest. 1914 Rom), der im Risorgimento eine bedeutende Rolle spielte und wichtige politische Funktionen innehatte. Er war ein leidenschaftlicher Kunstliebhaber. Seine Kollektion befand sich ursprünglich in einem anderen, speziell für sie errichteten, aber 1938 unter Mussolini abgerissenen Bauwerk. Schließlich gelangte sie hierhin, wo 1948 ein städtisches Museum eröffnet wurde. Es enthält im Erdgeschoss eine eigene Bibliothek mit 350 Bänden und über hundert Zeitschriften sowie die 2.500 Bände und Zeitschriften zählende Biblioteca Pollak. Ludwig Pollak war ein Freund Barraccos und wurde nach dessen Tod Direktor des Museums; 1943 wurde er mit seiner Familie nach Auschwitz verschleppt. Er war ein großer Verehrer Goethes. Daher befinden sich hier über 34 Handschriften, eine Haarlocke des großen Dichters sowie vier Gesamtausgaben seiner Werke und zahlreiche Schriften über diesen weltberühmten Autor. Die Bibliotheken kann man nur mit spezieller Erlaubnis aufsuchen. In den beiden anderen, öffentlich zugänglichen Geschossen befinden sich Exponate aus sumerischer, ägyptischer, griechischer, etruskischer und römischer Zeit. Auch das Mittelalter ist zum Beispiel mit dem Mosaik »Ecclesia Romana« vertreten. Die in der Zeit von Papst Innozenz III. (1198- 1216) entstandene Darstellung zeigt ein gemmenbekröntes Frauenantlitz und stammt aus dem unteren Teil der Apsis von Alt-St. Peter, die 1582 anlässlich des Baues der heutigen Basilika zerstört wurde. Bei der Restaurierung des Renaissancebaues Ende des 19. Jahrhunderts kamen in 4 Metern Tiefe Reste eines römischen Gebäudes zum Vorschein, das man allerdings nicht besichtigen kann. Anhand eines Computers kann man den Ausgrabungen aber einen virtuellen Besuch abstatten. Vom Museum aus führt uns der Weg an der Piazza della Cancelleria vorbei zur Via del Pellegrino, die an der Ecke des Campo dei Fiori mit der Cancelleria beginnt und bei einer platzartigen Erweiterung endet, die Vicolo della Moretta heißt. Die Straße geht dann nahtlos in die Via dei Banchi Vecchi über, die in den Corso Vittorio II mündet.

Restaurant »Zum Pilger«

Die Bezeichnung »del Pellegrino« geht angeblich auf das Lokal »Del pellegrino« (»Zum Pilger«) zurück, das hier bereits im Mittelalter bestand, wo unzählige Pilger auf ihrem Weg nach St. Peter vorbeikamen – es gibt es heute noch in dieser Straße, die im Laufe der Zeit verschiedene Namen hatte, darunter »Via Florea« oder »Via Florida «, offensichtlich vom dort blühenden Handel. Von Sixtus IV. (Francesco della Rovere, 1471- 1484) erneuert und unter Alexander VI. (Rodrigo Borgia, 1492-1503) erweitert, änderte sich ihr Name in »Via dei Merciai« (merciai = Warenverkäufer), eben wegen der vielen Kaufleute. Eine Zeit lang hieß sie »Via dei Calzettari« nach den Läden der Schuhmacher bzw. Sockenmacher: »calza« bedeutet Socken, »calzatura« Schuh; nach den Hut- oder Mützenherstellern »Via dei Beret - tari«. Später nannte man sie nach den vielen Uhrmachern und Juwelieren »Via degli Orefici«, die sich Ende des 17. Jahrhunderts infolge eines Ediktes von 1680 hier niederließen: es schrieb ihnen vor, dass sie in dieser Straße ihr Geschäft und ihre Wohnung haben sollten. Einige Uhrmacher und Juweliere gibt es dort heute noch. Wer nach der Cancelleria rechts einbiegt, dem öffnet sich eine gewundene mittelalterliche Straße, die ihr Aussehen und vor allem ihre Anlage über einem antiken Verkehrsweg weitgehend beibehalten hat. Nach einigen Schritten entdeckt man linker Hand einen etwas verwahrlost scheinenden Bogen – ein »geheimer Winkel« in der Altstadt Roms. Die Marmortafel innen besagt, dass es sich um den »Arco degli Acetari« handelt. Durchschreitet man den mit Holzbalken überdeckten kurzen Gang, kommt man zu einem platzartigen, romantischen Hof, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Die Außentreppen, die zu den oberen Stockwerken führen, weisen auf den mittelalterlichen Ursprung der mittlerweile modernisierten niedrigen Häuser hin. Die unter den Fenstern aufgehängte Wäsche, gemütlich schlafende Katzen und der Küchengeruch des frischen Mittagessens schaffen eine eigene Atmosphäre, die Gedanken schweifen in vergangene Zeiten. Einige Fahr- und Motorräder rufen den Besucher allerdings wieder in die Gegenwart zurück.

Der Name des Bogens geht wohl auf die Wasserträger der »Acqua Acetosa« zurück, die hier – in nächster Nähe des Marktes am Campo dei Fiori – nicht nur ihr Magazin, sondern auch ihre Wohnungen hatten. »Acqua Acetosa« (»essig«- saures Wasser) stammt offensichtlich von einem essigartigen Geschmack, den das Wasser nach dem Genuss hinterließ. Die Quelle der Acqua Acetosa entsprang bei Tor di Quinto (im Norden von Rom) und wurde 1959 wegen ihrer Verunreinigung geschlossen. Bis dahin galt sie als sehr gesund, mit Heilkräften für Nieren, Milz, Leber und »1000 andere Übel«, wie die Inschrift an der Quelle besagt. Daher entstand der Beruf der Wasserträger, welche die 5-Liter-Flaschen mit von Eseln gezogenen Karren bis hierher transportierten und dann verkauften. Wegen der Heilkräfte, die man dem Wasser zuschrieb, war es auch bei einigen Päpsten sehr beliebt. [...]
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