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Kultur
Zum 100. Todestag von Papst Benedikt XV. (1854-1922)

Mutiger und wahrer Prophet des Friedens

Mutiger und wahrer Prophet des Friedens
Von Prof. DDr. Jörg Ernesti,
Lehrstuhl für Mittlere und Neue Kirchengeschichte der Universität Augsburg


Unter den zwölf Päpsten der letzten 150 Jahre sind nur drei, für die niemals ein Selig- oder Heiligsprechungsprozess eröffnet wurde. Zu ihnen zählt Benedikt XV., dessen Todestag sich am 22. Januar zum 100. Mal jährt. Das mag in seinem Fall daran liegen, dass er zu seiner Zeit nicht wirklich als volkstümlich galt, vielleicht aber auch an dem tiefen Schatten, der durch den Ersten Weltkrieg auf sein Pontifikat fiel. Nach dem aristokratischen und liebenswürdigen Leo XIII. und dem »Seelsorgerpapst« Pius X., der schon zu Lebzeiten im Ruf der Heiligkeit stand, wirkte Benedikt XV. spröde und nüchtern. Auch hatte er äußerlich keine ansehnliche Gestalt – ein Faktor, den man im Medienzeitalter, das für das Papsttum mit Leo XIII. begonnen hatte, nicht unterschätzen darf. Durch einen Geburtsfehler hinkte er und hatte ein etwas schiefes Gesicht (ein Monokel im Auge verbarg auf Fotografien diesen Makel). Zeitgenossen berichten, dass der kleinwüchsige Mann zu Hektik und Betriebsamkeit neigte.

Mittler zwischen den Fronten

Giacomo Della Chiesa wurde am 21. November 1854 in der ligurischen Metropole Genua geboren. Der Vater hatte bei der Marine gedient, zuletzt im Rang eines Admirals. Die Familie gehörte dem Adel der alten Hafenstadt an. Als der Junge den Eltern am Ende der Gymnasialzeit eröffnete, er wolle Priester werden, bestanden diese darauf, dass er zunächst ein Jurastudium absolvierte. Das war weniger als Probe auf die Echtheit der Berufung denn als Sorge um eine berufliche Absicherung gedacht. Von der Einigung Italiens war auch die Priesterausbildung betroffen, insofern die Theologie überall aus den Universitäten verdrängt worden war. Nach der Priesterweihe erhielt der junge Della Chiesa einen Studienplatz an der Päpstlichen Diplomatenakademie. Hier lernte er den sizilianischen Grafen Mariano Rampolla Del Tindaro kennen. Als dieser zum Nuntius in Madrid ernannt wurde, machte er den Jüngeren zum Sekretär. Dieser folgte ihm auch, als Rampolla 1887 zum Kardinalstaatssekretär ernannt wurde. Della Chiesa stieg in der Behörde auf und hatte zuletzt das wichtige Amt des Substituten inne. Als 1903 mit der Wahl Pius’ X. ein anderer kirchenpolitischer Kurs einsetzte, wurde Rampolla als Staatssekretär abgelöst. Della Chiesa konnte sich noch bis 1907 auf seinem Posten halten, wurde dann aber für alle Beobachter unerwartet zum Erzbischof von Bologna ernannt. Hier mutierte er trotz fehlender pastoraler Erfahrung zu einem klugen und umsichtigen Großstadtbischof. Zeitgenössische Bilder zeigen ihn hoch zu Ross, wie er abgelegene Bergpfarreien visitierte. Der Pontifex ließ ihn bis 1914 auf das rote Birett warten, obgleich Bologna als klassischer Kardinalssitz galt.

Am 3. September 1914, fünf Wochen nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wurde Giacomo Della Chiesa zum Papst gewählt. Das vorherige Pontifikat war ganz von pastoralen Fragen bestimmt gewesen. So hatte sich Pius X. um die Erneuerung des Kirchengesangs, den Empfang der Kommunion durch Kinder und Erwachsene, das Kirchenrecht und die Überwachung der Theologie gekümmert. Das Feld der Außenpolitik hatte er seinem Staatssekretär Raffaele Merry Del Val überlassen. Im Konklave von 1914 setzte sich sehr schnell die Überzeugung durch, dass es angesichts des begonnenen Weltkonflikts eines politischen Papstes bedurfte. Der Erzbischof von Bologna hatte als rechte Hand Rampollas die auf Ausgleich mit den Staaten zielende Außenpolitik Leos XIII. mitgestaltet. Daran suchte man nun anzuknüpfen, sicher auch in der Hoffnung, der neue Papst könne zu einer Beendigung des Krieges beitragen. Kriegsbedingt wurde die Krönung nicht im Petersdom, sondern in der Sixtinischen Kapelle durchgeführt. [...]
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