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Kultur
Ein Lagunen-Städtchen im Golf von Venedig

Das christliche und historische Flair von Grado

Das christliche und historische Flair von Grado
Die malerische Altstadt steht unter Denkmalschutz und ist für den motorisierten Verkehr gesperrt.
Grado zählt zu einem der beliebtesten Reiseziele an der italienischen Adriaküste. Das geschichtsträchtige Städtchen liegt auf einer Insel im Golf von Venedig und ist bekannt für seine Strände und Häfen sowie seine sehenswerte Altstadt.

Von Dr. Heinz Wieser


Seit 7. November 2021 ist Prälat Paolo Nutarelli Pfarrer von Grado. Er setzt die Tradition seiner Vorgänger fort und zelebriert jeweils am Sonntag ein feierliches Hochamt in der Kirche zur heiligen Eufemia. Der berühmte seit den frühen 1900er-Jahren bestehende Chor »Santa Cecilia« der Männer von Grado, die heute noch zumeist Fischer sind, verschönert musikalisch mit kräftigen Stimmen den bei vielen Gläubigen aus nah und fern bekannten Gottesdienst, der stets mit dem stimmungsvollen Marienlied als traditionellem Fischerlied zur Ehren der Muttergottes »Madonnina del Mare« endet. Im Hochsommer kommen die Frauen mit bunten Fächern in die Kirche.

Der Dom oder die Basilika zur heiligen Eufemia wurde am 3. November 579 vom Patriarchen Elias konsekriert. Die Mauern dieser Kirche haben alle Epochen überdauert, Völkerwanderung und Kriege, Herrscher kamen und gingen. Die Basilika Sant’Eufemia ist eine der letzten Kirchen aus der Zeit der Völkerwanderung, die erhalten sind. Diese Heilige war die Schutzpatronin des Konzils von Chalcedon, das 451 Jesus Christus als »wahren Gott« und zweite Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit wie zugleich als »wahren Menschen« definierte. Um 400 stand an der Stelle der heutigen Kirche eine kleine Petruskirche. Erzbischof Nicetas von Aquileia (454-485) ließ die Kapelle zu einer dreischiffigen Basilika ausbauen. Im Inneren der Basilika Sant’Eufemia legt vor allem die Kanzel Zeugnis dafür ab, von welch reich differenzierten kulturellen und historischen Zusammenhängen ein Werk wie dieses bestimmt wird. Die Kanzel weist ein Kompilat von Stilformen auf, die vom 4. bis zum 13. Jahrhundert reichen – von spätrömischen Spolien bis zu den gotisch-maurischen Formen des Baldachins. Vermutlich handelt es sich um ein zu einem bestimmten Zeitpunkt um 1200 aus verschiedenen Bauteilen zusammengesetztes Werk.

Auf dem Gang zwischen Kirche und Sakristei erblickt man eine große Tafel, aus der hervorgeht, dass Papst Johannes XXIII. im Jahre 1959 in Würdigung der historischen kirchlichen Bedeutung und Stellung Grados dem jeweiligen Erzpriester den Titel eines Apostolischen Protonotars I. Klasse ad instar participantium für die Dauer seines Amtes verliehen hatte. Verbunden ist damit das Tragen der Pontifikalien, also Mitra, Pektorale, Ring mit Ausnahme des Stabes. Allerdings ist dies seit dem von Papst Paul VI. am 21. Juni 1968 erlassenen Motu Proprio Insignia Pontificalia nicht mehr möglich. Heute trägt der jeweilige Prälat nur mehr den Ring.

Welche Bedeutung die Lagunenstadt als Metropole See-Venetiens besessen hatte, bezeugen die parallel nebeneinander liegenden Hauptkirchen Grados, die in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts errichteten Basiliken Sant’Eufemia und die Basilika Santa Maria delle Grazie sowie das zwischen ihnen liegende Baptisterium aus dem 5. Jahrhundert. Aquileiensische Bautraditionen vermischen sich hier mit ravennatischen, wozu noch eine ganz individuelle Eigenart tritt, die sich auf die alte Architektur in den übrigen Lagunenstädten bis Venedig auswirkte. Grado (von gradus = Stufe = Landungstreppe) war Zufluchtsstätte der Patriarchen von Aquileia. Die Laguneninsel wurde damals schon von den reichen Bewohnern Aquileias als Sommeraufenthalt genützt. Es waren dieselben, die nach Attilas Auftreten nach Grado flüchteten. Seit seiner Glanzzeit in der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts, als der Patriarch Paulinus I. mit seiner Gemeinde und dem Kirchenschatz von Aquileia auf die Lagune geflohen war und dort seinen neuen Patriarchensitz als »Aquileia nova« aufgeschlagen hatte, begann Grado nach und nach an Einfluss und Bedeutung in jenem Maß zu verlieren, in dem die Insel selbst den Sturmfluten der Adria zum Opfer fiel. [...]
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