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Kultur
Die Vestalinnen

Ein zölibatäres Leben im Dienst am römischen Staat

Ein zölibatäres Leben im Dienst am römischen Staat
Reste des Rundtempels der Vesta auf dem Forum Romanum, wo Tag und Nacht ein Feuer brannte, das das »Lebenslicht« der Stadt Rom symbolisierte. Hier kümmerten sich die Vestalinnen, die die einzige weibliche Priesterschaft in ganz Rom bildeten, um die ewige Flamme.
Von Ulrich Nersinger

Im 4. Jahrhundert nach Christi Geburt brach über Rom die Götterdämmerung herein. Mit Kaiser Konstantin dem Großen begann eine neue Epoche. 313, im Toleranzedikt von Mailand, erklärten er und sein Mitherrscher im Osten des Reiches: »Wir erteilen allen und auch den Christen die Erlaubnis, derjenigen Religion zu folgen, die sie wollen«. Der Einfluss des Christentums wuchs von Jahr zu Jahr. »Es weiche der Aberglaube, der Wahnsinn der Opfer werde abgeschafft«, hieß es daher schon in einem kaiserlichen Erlass des Jahres 341.

Kaiser Julian Apostata (361-363), von heidnischen Lehrern erzogen, versuchte eine Wiederbelebung der alten Religion durchzusetzen – daher auch sein Beiname Apostata, der »Abtrünnige«. Doch vergebens; die von seinen Vorgängern eingeleitete Favorisierung des christlichen Glaubens war nicht mehr aufzuhalten. Seine Anstrengungen wurden nicht mehr ernst genommen, geschweige denn gefürchtet. »Es ist ein Wölkchen, es geht vorüber«, prophezeite der Kirchenvater Athanasius. »Galiläer, letztendlich hast du gesiegt!«, soll der Kaiser resignierend auf dem Sterbebett ausgerufen haben.

Das Feuer der Vesta erlosch

Der oströmische Imperator Theodosius der Große (375-395) und seine kaiserlichen Kollegen in der westlichen Reichshälfte erließen im Jahre 380 ein Edikt »über den katholischen Glauben«. Man verbot die Gladiatorenkämpfe und die Feier der Olympischen Spiele. Aus der Kurie des römischen Senates wurden die letzten Götterstatuen verbannt und die heidnischen Tempel geschlossen. Auf dem Forum Romanum erlosch nach weit mehr als tausend Jahren das Feuer der Vesta – kein vergleichbarer Akt vermochte ausdrucksvoller das Ende der alten Religion zu bezeugen.

Vesta, die Tochter des Saturn und der Ops, galt als die antiquissima dea, die »allerälteste Göttin«. In ihrem Tempel gab es kein Bild von ihr; sie bedurfte keiner künstlerischen Darstellung, sie manifestierte sich im ständig brennenden Feuer des Staatsherdes. Der Historiker Robert M. Ogilvie bemerkt zu recht: »In einer Zeit ohne Streichhölzer oder Feuerzeug war Feuer etwas kostbares; daher gehörte Vesta, die Göttin des Herdfeuers, seit undenklicher Zeit zu den am meisten verehrten Göttinnen«. Zu allen Zeiten der heidnischen Antike fand sich eine überaus große Verehrung für die Göttin. Berühmt und berührend ist Vergils Gebet an »Mutter Vesta, die du den tuskischen Tiber und Roms Palatium schirmest« (Georgica, 1,498-499).

Der Tempel der Vesta war der älteste auf dem Römischen Forum. Hier brannte für alle sichtbar das Staatsfeuer. Im Inneren des Tempels befand sich der penus Vestae, ein Raum, der das palladium beherbergte, ein Standbild der Göttin Athene, das der Sage nach von Aeneas aus Troja gerettet worden war und das ewige Wohlergehen Roms garantierte.

»Ihrem Kult sollen sechs Jungfrauen vorstehen, damit die Wache zur Behütung des Feuers leichter ist und die [römischen] Frauen einsehen, dass die weibliche Natur zur Reinheit jeglicher Art fähig ist«, merkte Cicero in seinem Werk über die Gesetze an (De legibus, 2). Diese ursprünglich vier, dann sechs – später sogar sieben – vestalischen Jungfrauen, die Virgines Vestales, sollen vom zweiten König Roms, Numa Pompilius (715-673 v. Chr.), offiziell in ihren Dienst eingesetzt worden sein. [...]
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