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Kultur
Artemisia Gentileschi – Eine begabte Malerin des 17. Jahrhunderts

»Die einzige Frau, die je gewußt hat, was Malerei ist«

Auf dem Bild der »Allegorie der Malerei« aus den 1630er Jahren stellt Artemisia Gentileschi sich selbst dar
Es mußte erst das dritte Jahrtausend anbrechen, um das Feld der Kunstgeschichte von den Allgemeinplätzen freizuräumen, die seit jeher die Gestalt einer unglaublichen Künstlerin wie Artemisia Gentileschi umgeben haben. Sagen wir, daß Artemisia die weibliche Version von Caravaggio darstellt, und das nicht nur, weil sie eine Reihe von Porträts der großen Protagonistinnen der Geschichte malt – Maria Magdalena, Katharina von Alexandrien, Judith, Kleopatra und Danae – und den Mut hat, sich oft selbst darzustellen, wobei sie »durch Dreidimensionalität, Stolz und großen Prunk« imponiert, wie Roberto Contini schreibt.

Das vorausgeschickt, ist es notwendig, den Kontext ihres Lebens näher anzuschauen, um die Größe von Artemisia wirklich zu verstehen. Die Malerin wird 1593 in Rom geboren, und im 17. Jahrhundert konnte eine Frau weder eine Schule besuchen noch in einer Malerwerkstatt ausgebildet werden. Ein Mädchen mußte sich vor dem Klatsch über ihr Verhalten in Acht nehmen, das von Neidern und Verleumdern oft als tadelnswert betrachtet wurde. Eine Tochter durfte nicht gegen das von ihrem eifersüchtigen Vater für sie bestimmte Schicksal rebellieren, auch wenn er sie nicht nur im Haus unter Verschluß hielt, sondern ihr sogar verbot, sich am Fenster zu zeigen. Natürlich war es auch der Vater, der über das Gefühlsleben der Tochter bestimmte.

Obwohl Orazio Gentileschi (1563–1639) diese gesellschaftlichen Spielregeln getreu befolgte, kommt ihm das Verdienst zu, unter seinen vier Kindern das außergewöhnliche Talent Artemisias erkannt zu haben. Er unterrichtete sie und führte sie schon in jugendlichem Alter zur Reife des künstlerischen Ausdrucks. Einen Beweis dafür haben wir in einem Brief, den der Vater und Maler am 3. Juli 1612 an die Großherzogin von Toskana geschrieben hat: Er habe eine Tochter und drei Söhne. Nachdem er seine Tochter in der Malerei unterrichtet habe, habe es diese in drei Jahren so weit gebracht, daß er es wagen könne zu sagen, daß sie nicht ihresgleichen habe. Sie habe bereits Werke geschaffen, die zeigten, daß vielleicht die großen Meister auf diesem Gebiet nicht an ihr Können heranreichten.

Welche Werke könnte Orazio damit meinen? Zum Beispiel das Gemälde Susanna und die beiden Alten, das 1610 datiert ist. Die beiden Männer, die Susanna heimlich beobachten, sind allerdings nicht alt, wie in der Bibel erzählt wird. Denn einer von ihnen hat rabenschwarze Haare, während der Ältere der beiden die Kennzeichen eines reifen Mannes hat, aber sicherlich nicht alt ist.

In diesem Meisterwerk gibt es keine Gewalt, wie man sie auf späteren Bildern finden kann. Die Gestik des bedrängten Mädchens richtet sich eher gegen eine Belästigung, wie von herumschwirrenden Insekten, als daß sie Entrüstung zum Ausdruck bringt. Wenn, wie einige meinen, die beiden Personen für Agostino Tassi (1578– 1644) und Orazio Gentileschi stehen sollen, die aus Freundschaft und Solidarität so weit gingen, daß sie, um ihre privaten Probleme zu lösen, die junge Malerin zum Gespött der Leute machten, dann ist dieses Bild tief symbolisch gemeint. Wenn das Datum 1610 wirklich stimmt, worüber noch diskutiert wird, dann würde es sich um eine Art Vorahnung handeln. Wenn das Werk aber, wie es scheint, später zu datieren ist, dann haben wir einen echten kathartischen Ausbruch vor uns.

»Artemisia Gentileschi, Geschichte einer Leidenschaft « ist der Titel der von Roberto Contini und Francesco Solinas kuratierten monographischen Ausstellung im Palazzo Reale in Mailand. Die Schau stellt die erhabene Künstlerin wieder ins Rampenlicht, deren Talent durch einen von zeitgenössischen Chroniken überlieferten Prozeß verdunkelt wurde.

In den 1970er Jahren, als der Feminismus sich bemühte, die »großen Mütter« in allen Bereichen der Kultur zur Geltung zu bringen, entdeckte Eva Menzio durch eine sehr gute Archivforschung die traurige Geschichte der Artemisia wieder. Leider war ein gewisses kulturelles Klima jener Zeit kein guter Ratgeber für eine Neubewertung ihrer Kunst. Das große Talent der Malerin wurde einfach als selbstverständlich vorausgesetzt, und so trübte man das Studium ihrer Malerei mit mehr oder minder krankhaften Details eines Vergewaltigungsprozesses. Heute dagegen fragt man sich, welches Geheimnis sich hinter einem Prozeß verbirgt, über den auch wir nicht schweigen können, denn die Protagonisten sind aus dem einen oder anderen Grund alle in die Geschichte eingegangen. [...]
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