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Aus dem Vatikan
Generalaudienz auf dem Petersplatz am 4. November

Trainingsstätte für Hingabe und Vergebung

Trainingsstätte für Hingabe und Vergebung
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Die Generalversammlung der Bischofssynode, die vor kurzem beendet wurde, hat eingehend über die Berufung und Sendung der Familie im Leben der Kirche und der Gesellschaft von heute nachgedacht. Es war ein Gnadenereignis. Am Ende haben die Synodenväter mir den Text mit ihren Schlussfolgerungen überreicht. Ich wollte, dass dieser Text veröffentlicht wird, damit alle teilhaben können an der Arbeit, mit der wir uns zwei Jahre lang gemeinsam befasst haben. Dies ist nicht der Augenblick, um diese Schlussfolgerungen zu analysieren; ich muss selbst im Gebet darüber nachdenken.

In der Zwischenzeit bleibt das Leben nicht stehen, insbesondere das Leben der Familie bleibt nicht stehen! Ihr, liebe Familien, seid immer unterwegs. Und unablässig zeigt ihr im Buch des konkreten Lebens bereits die Schönheit des Evangeliums der Familie auf. In einer Welt, in der das Leben und die Liebe zuweilen verdorren, sprecht ihr jeden Tag von dem großen Geschenk der Ehe und der Familie.

Heute möchte ich diesen Aspekt hervorheben: Die Familie ist eine große Trainingsstätte für die gegenseitige Hingabe und Vergebung, ohne die keine Liebe lange andauern kann. Wenn man sich einander nicht hinschenkt und einander nicht vergibt, bleibt die Liebe nicht, dauert sie nicht an. In dem Gebet, das Jesus selbst uns geschenkt hat – also im Vaterunser –, lässt er uns den Vater bitten: »Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.« Und am Ende erläutert er: »Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben; wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben« (Mt 6,12.13-14). Man kann nicht leben, ohne einander zu vergeben, oder zumindest kann man dann nicht gut leben, besonders in der Familie. Jeden Tag fügen wir einander Unrecht zu. Wir müssen diese Fehler, die unserer Schwachheit und unserem Eigennutz geschuldet sind, in Betracht ziehen. Es wird jedoch von uns verlangt, die Wunden, die wir einander zufügen, sofort zu heilen, und die Fäden, die wir in der Familie zerreißen, unverzüglich wieder zu knüpfen. Wenn wir zu lange warten, wird alles schwieriger. Und es gibt ein einfaches Geheimnis, um Wunden zu heilen und Anklagen aufzuheben. Es ist dies: den Tag nicht zu Ende gehen lassen, ohne um Entschuldigung zu bitten, ohne Frieden zu schließen zwischen Ehemann und Ehefrau, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Brüdern und Schwestern … zwischen Schwiegertochter und Schwiegermutter! Wenn wir lernen, unverzüglich um Entschuldigung zu bitten und einander zu vergeben, dann heilen die Wunden, die Ehe wird gestärkt und die Familie wird zu einem Haus, das immer solider wird und den Erschütterungen unserer kleinen und großen Schlechtigkeiten widersteht. Und dazu bedarf es nicht großer Worte, sondern es genügt eine Liebkosung: eine Liebkosung, und alles ist vorbei und beginnt neu. Lasst den Tag jedoch nicht im Krieg enden!

Wenn wir lernen, so in der Familie zu leben, dann tun wir es auch außerhalb von ihr, wo auch immer wir sind. Darüber entsteht leicht Skepsis. Viele – auch unter den Christen – meinen, es sei übertrieben. Es heißt: Ja, das sind schöne Worte, aber es ist unmöglich, sie in die Tat umzusetzen. Gottlob ist es aber nicht so. Denn gerade wenn wir die Vergebung Gottes empfangen, sind wir unsererseits fähig, Anderen zu vergeben. Daher lässt Jesus uns jedes Mal, wenn wir das Vaterunser beten, also jeden Tag, diese Worte wiederholen. Und in einer zuweilen unbarmherzigen Gesellschaft ist es unverzichtbar, dass es Orte wie die Familie gibt, wo man lernt, einander zu vergeben. [...]
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