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Aus dem Vatikan
Generalaudienz auf dem Petersplatz am 12. Oktober

Offen für die Hoffnung und fest im Glauben

Offen für die Hoffnung und fest im Glauben
Liebe Brüder und Schwestern!

In den vorangegangenen Katechesen haben wir einige Psalmen der Klage und des Vertrauens betrachtet. Heute möchte ich mit euch über einen Psalm nachdenken, der von Freude geprägt ist, ein Gebet, das freudig die Großtaten Gottes besingt. Es ist Psalm 126 – nach der griechisch-lateinischen Zählung 125 –, der die großen Dinge preist, die der Herr an seinem Volk vollbracht hat und die er ohne Unterlaß an jedem Gläubigen vollbringt. Der Psalmist beginnt sein Gebet damit, daß er im Namen von ganz Israel die beglückende Erfahrung des Heils in Erinnerung ruft:

»Als der Herr das Los der Gefangenschaft
Zions wendete,
da waren wir alle wie Träumende.
Da war unser Mund voll Lachen
und unsere Zunge voll Jubel« (V. 1–2a).


Der Psalm spricht von einem »gewendeten Los«: Das heißt, daß der Urzustand in all seiner einstigen Positivität wiederhergestellt wurde. Der Ausgangspunkt ist also eine Situation des Leidens und der Not, auf die Gott antwortet, indem er Heil wirkt und den Beter in den vorherigen Zustand zurückversetzt, der jetzt sogar bereichert und zum Besseren gewandelt ist. Es ist das, was Ijob widerfährt, als der Herr ihm alles, was er verloren hatte, zurückerstattet, es auf das Doppelte mehrt und einen noch größeren Segen spendet (vgl. Ijob 42,10–13). Dasselbe erfährt das Volk Israel, als es aus dem Babylonischen Exil heimkehrt. Dieser Psalm wird mit Bezug auf das Ende der Verbannung in ein fremdes Land ausgelegt: Der Ausdruck »das Los Zions wenden« wird in der Überlieferung als »die Gefangenen Zions heimkehren lassen« ausgelegt und verstanden. In der Tat ist die Rückkehr aus dem Exil das Muster für jedes rettende göttliche Eingreifen, denn die Eroberung Jerusalems und die Verschleppung nach Babylonien waren für das auserwählte Volk eine erschütternde Erfahrung, nicht nur auf politischer und sozialer Ebene, sondern auch und vor allem auf religiöser und geistlicher Ebene. Der Verlust des Landes, das Ende der davidischen Monarchie und die Zerstörung des Tempels erscheinen wie ein Widerruf der göttlichen Verheißungen, und das Volk des Bundes, das unter den Heiden versprengt ist, steht schmerzerfüllt vor der Frage nach einem Gott, der es verlassen zu haben scheint. Das Ende der Verbannung und die Rückkehr in die Heimat werden daher als eine wunderbare Rückkehr zum Glauben, zum Vertrauen, zur Gemeinschaft mit dem Herrn erfahren; dieses »Wenden des Loses« bringt auch die Bekehrung des Herzens mit sich, die Vergebung, die wiedergefundene Freundschaft mit Gott, das Bewußtsein um seine Barmherzigkeit und die Möglichkeit, ihn wieder zu preisen (vgl. Jer 29,12–14; 30,18–20; 33,6–11; Ez 39,25–29). Es ist eine Erfahrung grenzenloser Freude, voll Lachen und Jubelrufen. Sie ist so schön, daß alle »wie Träumende« sind. Das göttliche Eingreifen nimmt oft unerwartete Formen an, die die Vorstellungskraft des Menschen übersteigen; und dann entlädt sich das Staunen und die Freude im Lobpreis: »Der Herr hat Großes getan.« Das sagen die Völker, und das verkündet Israel:

»Da sagte man unter den andern Völkern:
Der Herr hat an ihnen Großes getan.
Ja, Großes hat der Herr an uns getan.
Da waren wir fröhlich« (V. 2b–3).


Gott tut Wunder in der Geschichte der Menschen. Indem er Heil wirkt, offenbart er sich allen als mächtiger und barmherziger Herr, als Zuflucht für den Bedrückten; er vergißt nicht den Notschrei der Armen (vgl. Ps 9,10.13), er liebt Gerechtigkeit und Recht, die Erde ist erfüllt von seiner Huld (vgl. Ps 33,5). So erkennen angesichts der Befreiung des Volkes Israel alle Völker das Große und Wunderbare, das Gott für sein Volk vollbringt, und feiern den Herrn in seiner Wirklichkeit als Retter. [...]
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