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Aus dem Vatikan
Generalaudienz auf dem Petersplatz am 5. Oktober

Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen

Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen
Liebe Brüder und Schwestern!

Sich im Gebet an den Herrn zu wenden setzt einen radikalen Akt des Vertrauens voraus, im Bewußtsein, sich Gott anzuvertrauen: Er ist »ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue« (Ex 34,6; vgl. Ps 86,15; Joël 2,13; Jona 4,2; Ps 103,8; 145,8; Neh 9,17). Daher möchte ich mit euch über einen Psalm nachdenken, der ganz vom Vertrauen durchdrungen ist und in dem der Psalmist seine feste Gewißheit zum Ausdruck bringt, geleitet, geschützt und vor jeder Gefahr in Sicherheit gebracht zu sein, denn der Herr ist sein Hirte. Es handelt sich um Psalm 23 – nach der griechischlateinischen Zählung 22 –, einen allen vertrauten und bei allen beliebten Text.

»Der Herr ist mein Hirte, / nichts wird mir fehlen«: So beginnt dieses schöne Gebet, das uns das nomadische Umfeld des Hirtenlebens vor Augen führt sowie die Erfahrung gegenseitiger Vertrautheit, die sich zwischen dem Hirten und den Schafen, aus denen seine kleine Herde besteht, einstellt. Das Bild ist von einer Atmosphäre des Vertrauens, der Vertrautheit, der Fürsorge geprägt: Der Hirte kennt jedes einzelne seiner Schafe, er ruft sie beim Namen, und sie folgen ihm, weil sie ihn kennen und ihm vertrauen (vgl. Joh 10,2–4). Er kümmert sich um sie, er hütet sie wie ein kostbares Gut, stets bereit, sie zu verteidigen, ihr Wohlergehen sicherzustellen, dafür zu sorgen, daß sie in Ruhe leben können. Nichts wird fehlen, wenn der Hirte bei ihnen ist. Auf diese Erfahrung nimmt der Psalmist Bezug, wenn er Gott seinen Hirten nennt und sich von ihm zu sicheren Weiden führen läßt:

»Er läßt mich lagern auf grünen Auen
und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.
Er stillt mein Verlangen;
er leitet mich auf rechten Pfaden,
treu seinem Namen« (V. 2–3).


Vor unseren Augen tut sich ein Bild von grünen Weiden und klaren Wasserquellen auf, Oasen des Friedens, zu denen der Hirte die Herde führt, Symbole der Orte des Lebens, zu denen der Herr den Psalmisten führt: Dieser fühlt sich gleichsam wie die Schafe, die auf dem Gras an einer Quelle lagern, in Ruhe, nicht angespannt oder aufgeregt, sondern vertrauensvoll und ruhig, weil der Platz sicher ist, das Wasser frisch, und der Hirte über sie wacht. Und hier dürfen wir nicht vergessen, daß die Szene, die der Psalm uns vor Augen stellt, in einem Land angesiedelt ist, das großenteils aus sonnenversengter Wüste besteht, wo der halbnomadische Hirte des Nahen Ostens mit seiner Herde in den dürren Steppen lebt, die sich um die Dörfer herum ausbreiten. Aber der Hirte weiß, wo man Gras und frisches Wasser findet, die lebenswichtig sind. Er ist in der Lage, zur Oase zu führen, wo das Verlangen »gestillt« wird und man Kraft und neue Energie schöpft, um sich wieder auf den Weg zu machen. [...]
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