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Aus dem Vatikan
Generalaudienz auf dem Petersplatz am 31. August

Barmherzigkeit schenkt Würde

Barmherzigkeit schenkt Würde
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Das Evangelium, das wir gehört haben, stellt uns eine Gestalt vor Augen, die sich durch ihren Glauben und ihren Mut auszeichnet. Es handelt sich um die Frau, die Jesus von ihren Blutungen geheilt hat (vgl. Mt 9,20-22). Sie tritt durch die Menge hindurch von hinten an Jesus heran, um den Saum seines Gewandes zu berühren. »Denn sie sagte sich: Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt« (V. 21). Wie viel Glauben! Wie viel Glauben hatte diese Frau! Sie denkt so, weil sie von sehr viel Glauben und großer Hoffnung beseelt ist und mit ein wenig Hinterlist das verwirklicht, was sie im Herzen hat. Der Wunsch, von Jesus gerettet zu werden, ist so groß, dass sie sich über die im Gesetz des Mose verankerten Vorschriften hinwegsetzt. Denn diese arme Frau ist seit vielen Jahren nicht einfach nur krank, sondern wird als unrein betrachtet, weil sie unter Blutfluss leidet (vgl. Lev 15,19-30). Daher ist sie vom Gottesdienst, vom Eheleben und vom normalen Umgang mit dem Nächsten ausgeschlossen. Und der Evangelist Markus fügt hinzu, dass sie von vielen Ärzten behandelt worden war, dabei ihr ganzes Vermögen ausgegeben und schmerzhafte Behandlungen ertragen hatte, ihr Zustand aber immer nur schlimmer geworden war. Sie war eine von der Gesellschaft ausgeschlossene Frau. Es ist wichtig, diesen Zustand – als Ausgeschlossene – in Betracht zu ziehen, um ihre seelische Verfassung zu verstehen: Sie spürt, dass Jesus sie von der Krankheit und vom Zustand der Ausgrenzung und der Würdelosigkeit befreien kann, in dem sie sich seit Jahren befindet. Mit einem Wort: Sie spürt, dass Jesus ihr das Heil schenken kann.

Dieser Fall lässt uns darüber nachdenken, wie die Frau oft wahrgenommen und dargestellt wird. Wir alle, auch die christlichen Gemeinden, müssen uns hüten vor Auffassungen vom Weiblichen, die von Vorurteilen und Verdächtigungen geprägt sind und seiner unantastbaren Würde schaden. In diesem Sinne stellen gerade die Evangelien die Wahrheit wieder her und führen zu einer befreienden Sichtweise. Jesus hat den Glauben dieser Frau, die von allen gemieden wurde, bewundert und ihre Hoffnung in Heil verwandelt. Wir kennen ihren Namen nicht, aber die wenigen Zeilen, mit denen die Evangelien ihre Begegnung mit Jesus schildern, zeigen einen Weg des Glaubens auf, der die Wahrheit und die Größe der Würde jedes Menschen wiederherstellen kann. In der Begegnung mit Christus öffnet sich für alle – Männer und Frauen an jedem Ort und zu jeder Zeit – der Weg der Befreiung und des Heils.

Im Evangelium nach Matthäus heißt es, dass Jesus, als die Frau sein Gewand berührte, sich »umwandte« und »sie sah« (V. 22) und dann das Wort an sie richtete. Wie gesagt handelte die Frau aufgrund ihrer Ausgrenzung heimlich, trat von hinten an Jesus heran, war etwas ängstlich und wollte nicht gesehen werden, denn sie war eine Ausgeschlossene. Jesus aber sieht sie, und er blickt sie nicht vorwurfsvoll an, er sagt nicht: »Geh weg, du bist eine Ausgeschlossene!«, so als würde er sagen: »Du bist eine Aussätzige, geh weg!« Nein, er macht ihr keine Vorwürfe, sondern der Blick Jesu ist voll Barmherzigkeit und Zärtlichkeit. Er weiß, was geschehen ist, und sucht die persönliche Begegnung mit ihr, was im Grunde auch die Frau selbst wünschte. Das bedeutet, dass Jesus sie nicht nur annimmt, sondern sie dieser Begegnung für würdig erachtet, so dass er ihr sein Wort und seine Aufmerksamkeit schenkt. [...]
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