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Generalaudienz im Innenhof des Apostolischen Palastes von Castel Gandolfo am 17. August

Das betrachtende Gebet

Das betrachtende Gebet
Liebe Brüder und Schwestern!

Wir befinden uns noch im Licht des Hochfestes der Aufnahme Mariens in den Himmel, das – wie ich gesagt habe – ein Fest der Hoffnung ist. Maria ist im Paradies angekommen, und das ist unsere Bestimmung: Wir alle können das Paradies erreichen. Die Frage ist: Wie? Maria ist dort angekommen; sie ist – wie es im Evangelium heißt – »die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ« (Lk 1,45). Maria hat also geglaubt, sie hat auf Gott vertraut, sie hat sich mit ihrem Willen in den Willen des Herrn hineinbegeben, und so war sie geradewegs auf dem direkten Weg, auf dem Weg zum Paradies. Glauben, auf den Herrn vertrauen, sich in seinen Willen hineinbegeben: Das ist die wesentliche Richtung.

Heute möchte ich nicht über diesen Weg des Glaubens sprechen, sondern nur über einen kleinen Aspekt des Gebetslebens, das ein Leben des Kontaktes mit Gott ist: über das betrachtende Gebet. Was ist das betrachtende Gebet? Es bedeutet, »sich zu erinnern«, was Gott getan hat, und nicht zu vergessen, was er uns Gutes getan hat (vgl. Ps 103,2b). Oft sehen wir nur die negativen Dinge; wir müssen auch die positiven Dinge im Gedächtnis behalten, die Geschenke, die Gott uns gemacht hat, auf die positiven Zeichen achten, die von Gott kommen, und sie in Erinnerung behalten. Wir sprechen also von einer Gebetsform, die in der christlichen Überlieferung »inneres Gebet« genannt wird. Gewöhnlich kennen wir das Beten mit Worten. Natürlich müssen auch der Verstand und das Herz in diesem Gebet präsent sein. Heute aber sprechen wir über ein betrachtendes Gebet, das nicht aus Worten besteht, sondern durch das unser Verstand mit dem Herzen Gottes in Berührung kommt. Und Maria ist hier ein sehr konkretes Vorbild. Der Evangelist Lukas sagt mehrmals: Maria »bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach« (2,19; vgl. 2,51). Als Hüterin, die nicht vergißt, achtet sie auf alles, was der Herr ihr gesagt und getan hat, und sie denkt nach, sie tritt also in Berührung mit verschiedenen Dingen, vertieft es in ihrem Herzen.

Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes

Diejenige, die der Verkündigung des Engels »geglaubt hat« und zum Werkzeug geworden ist, damit das ewige Wort des Allerhöchsten Mensch werden konnte, hat das Wunder jener menschlich-göttlichen Geburt auch im Herzen aufgenommen, hat es betend betrachtet, hat darüber nachgedacht, was Gott in ihr wirkte, um den göttlichen Willen in ihrem Leben aufzunehmen und ihm zu entsprechen. Das Geheimnis der Mensch werdung des Sohnes Gottes und der Mutterschaft Marias ist so groß, daß es einen Prozeß der Verinnerlichung verlangt. Es ist nicht nur etwas Leibliches, das Gott in ihr wirkt, sondern es verlangt eine Verinnerlichung von seiten Marias. Sie versucht, es tiefer zu verstehen, seinen Sinn zu deuten, seine Folgen und Auswirkungen zu verstehen. So hat Maria Tag für Tag in der Stille des täglichen Lebens die wunderbaren Ereignisse, die einander folgten, stets in ihrem Herzen bewahrt und sie bezeugt, bis hin zur höchsten Prüfung des Kreuzes und zur Herrlichkeit der Auferstehung. Maria hat ihr Leben, ihre täglichen Pflichten, ihre Sendung als Mutter in Fülle gelebt, aber sie hat sich im Innern einen Raum bewahrt, um über das Wort und über den Willen Gottes nachzudenken, über das, was in ihr geschah, über die Geheimnisse des Lebens ihres Sohnes. [...]
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