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Aus dem Vatikan
Generalaudienz auf dem Petersplatz am 22. Mai

Demut ist die Eingangstür zu allen Tugenden

Demut ist die Eingangstür zu allen Tugenden
In seiner Katechese widmete sich der Papst diesmal der Tugend der Demut als »Quelle des Friedens in der Welt und in der Kirche«. Als Modell der Demut stellte er Maria, die Mutter Jesu, vor. Sie habe gestaunt, als der Engel ihr die Ankündigung Gottes überbrachte. »Gott ist – sozusagen – vom Kleinsein Marias angezogen, das vor allem ein inneres Kleinsein ist«, so der Papst.
Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

Wir schließen diese Katechesereihe ab, indem wir über eine Tugend sprechen, die nicht zur Siebenergruppe der Kardinaltugenden und göttlichen Tugenden gehört, aber eine wesentliche Grundlage christlichen Lebens ist: Diese Tugend ist die Demut. Sie ist die große Gegenspielerin des tödlichsten aller Laster: des Hochmuts. Während Stolz und Hochmut das menschliche Herz aufblähen und uns als mehr erscheinen lassen, als wir sind, bringt die Demut alles wieder in die richtige Dimension zurück; wir sind wunderbare, aber begrenzte Geschöpfe, mit Vorzügen und Fehlern. Die Bibel erinnert uns von Anfang an daran, dass wir Staub sind und zum Staub zurückkehren (vgl. Gen 3,19). Denn »humilis«, demütig, kommt von »humus«, also Erde. Dennoch kommt im menschlichen Herzen oft Größenwahn auf, der so gefährlich ist, und das schadet uns sehr.

Sanftmut und Barmherzigkeit


Um uns vom Hochmut zu befreien, würde sehr wenig genügen, es würde genügen, einen Sternenhimmel zu betrachten, um das richtige Maß wiederzufinden, wie es im Psalm heißt: »Seh ich deine Himmel, die Werke deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?« (8,4-5). Die moderne Wissenschaft gestattet uns, den Horizont noch viel mehr zu erweitern und das Geheimnis, das uns umgibt und das in uns wohnt, noch stärker zu spüren.

Selig sind die Menschen, die diese Wahrnehmung des eigenen Kleinseins im Herzen bewahren! Diese Menschen sind vor einem schlimmen Laster geschützt: der Arroganz. In seinen Seligpreisungen beginnt Jesus bei ihnen: »Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich« (Mt 5,3). Es ist die erste Seligpreisung, weil sie die Grundlage derer ist, die folgen: denn die Sanftmut, die Barmherzigkeit, die Reinheit im Herzen entstehen aus diesem inneren Bewusstsein des Kleinseins. Die Demut ist die Eingangstür zu allen Tugenden.

Auf den ersten Seiten der Evangelien scheinen die Demut und die Armut vor Gott die Quelle von allem zu sein. Die Verkündigung des Engels geschieht nicht vor den Toren Jerusalems, sondern in einem abgelegenen Dorf in Galiläa, das so unbedeutend ist, dass die Menschen sagten: »Kann aus Nazaret etwas Gutes kommen?« (Joh 1,46). Aber gerade von dort wird die Welt neu geboren. Die auserwählte Heldin ist keine Prinzessin, die behütet aufgewachsen ist, sondern ein unbekanntes Mädchen: Maria. Die erste, die erstaunt ist, ist sie selbst, als der Engel die Verkündigung Gottes bringt. Und in ihrem Lobpreis wird dieses Staunen deutlich: »Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut« (Lk 1,46-48). Gott ist – sozusagen – vom Kleinsein Marias angezogen, das vor allem ein inneres Kleinsein ist. Und er ist auch von unserem Kleinsein angezogen, wenn wir es annehmen. [...]
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