Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt,
liebe Priester und Ordensleute,
liebe Schwestern und liebe Brüder!
Ich freue mich, euch hier in Ajaccio zum Abschluss des Kongresses über Volksfrömmigkeit im Mittelmeerraum zu begegnen, an dem zahlreiche Wissenschaftler und Bischöfe aus Frankreich und anderen Ländern teilgenommen haben.
Die Gebiete, die am Mittelmeer liegen, sind in die Geschichte eingegangen und sie sind die Wiege zahlreicher Zivilisationen gewesen, die einen beachtlichen Entwicklungsgrad erreicht haben. Denken wir insbesondere an die griechisch-römische und die jüdisch- christliche Zivilisation, die von der kulturellen, religiösen und historischen Bedeutung dieses großen »Sees« in der Mitte dreier Kontinente zeugen, dieses einzigartigen Meeres, das das Mittelmeer ist.
Wir dürfen nicht vergessen, dass das Mittelmeer in der klassischen Literatur, der griechischen wie der lateinischen, vielfach der ideale Schauplatz für die Entstehung von Mythen, Erzählungen und Legenden war. Ebenso wie die Tatsache, dass das philosophische Denken und die Künste, zusammen mit den Techniken der Seefahrt, die Zivilisationen des Mare nostrum in die Lage versetzten, eine hochstehende Kultur zu entwickeln, Kommunikationswege zu erschließen, Infrastrukturen und Aquädukte und mehr noch, Rechtssysteme und Institutionen von beachtlicher Komplexität aufzubauen, deren Grundprinzipien auch heute noch gültig und aktuell sind.
Zwischen dem Mittelmeerraum und dem Nahen Osten hat eine ganz besondere religiöse Erfahrung ihren Ursprung, die mit dem Gott Israels verbunden ist, der sich den Menschen offenbart und einen unaufhörlichen Dialog mit seinem Volk begonnen hat, der seinen Höhepunkt in der einzigartigen Gegenwart Jesu, des Sohnes Gottes, findet. Er ist es, der das Antlitz des Vaters, seines und unseres Vaters, in endgültiger Weise offenbart hat und der den Bund zwischen Gott und der Menschheit zur Vollendung geführt hat.
Seit der Menschwerdung des Gottessohnes sind mehr als zweitausend Jahre vergangen und viele verschiedene Epochen und Kulturen sind seitdem aufeinander gefolgt. Während einiger Momente der Geschichte hat der christliche Glaube das Leben der Völker und deren politische Institutionen geprägt, während heute, besonders in den europäischen Ländern, die Frage nach Gott zu verklingen scheint und man seiner Gegenwart und seinem Wort immer gleichgültiger gegenübersteht. Bei der Analyse dieser Lage müssen wir jedoch vorsichtig sein, um nicht voreiligen Betrachtungen und ideologischen Urteilen zu verfallen, die manchmal heute noch die christliche Kultur und die säkulare Kultur einander entgegensetzen. Dies ist ein Fehler! [...]
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