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Dokumentation
Botschaft von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone im Namen von Papst Benedikt XVI. anläßlich des 32. »Meetings für die Freundschaft unter den Völkern«

Erkenntnis des eigenen Ursprungs

Erkenntnis des eigenen Ursprungs
Vom 21. bis 27. August wurde Rimini zur Kulturhauptstadt Italiens. Jedes Jahr kommen Menschen aus der ganzen Welt in die Adriastadt zum »Meeting für die Freundschaft unter den Völkern«, um zu diskutieren, sich auszutauschen und an vielen Veranstaltungen teilzunehmen. Das diesjährige Thema lautete »Und die Existenz wird erfüllt von einer großen Gewißheit«. Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone richtete an das Treffen eine Botschaft.

An Seine Exzellenz Francesco Lambiasi Bischof von Rimini

Exzellenz!

Auch in diesem Jahr habe ich die Freude, Eurer Exzellenz, den Organisatoren sowie allen Teilnehmern am »Meeting für die Freundschaft unter den Völkern«, das in diesen Tagen in Rimini stattfindet, den herzlichen Gruß des Heiligen Vaters zu übermitteln. Das für 2011 gewählte Thema – »Und die Existenz wird erfüllt von einer großen Gewißheit« – wirft verschiedene tiefgehende Fragen auf: Was ist Existenz? Was ist Gewißheit? Und vor allem: Was ist die Grundlage der Gewißheit, ohne die der Mensch nicht leben kann?

Es wäre interessant, in die überreiche Reflexion einzutreten, die die Philosophie von Anfang an in bezug auf die Erfahrung der Existenz, des Daseins entfaltet hat. Dabei ist sie zu wichtigen, oft jedoch auch widersprüchlichen und einseitigen Schlußfolgerungen gelangt. Wir können uns aber direkt zum Wesentlichen führen lassen, indem wir von der lateinischen Etymologie des Begriffs »Existenz« ausgehen: »ex sistere«. Heidegger, der es als »Heraustreten« interpretiert, hat den dynamischen Charakter des menschlichen Lebens deutlich gemacht. Aber »ex sistere« führt uns mindestens noch zwei weitere Bedeutungen vor Augen, die die menschliche Erfahrung des Existierens noch besser umschreiben und die gewissermaßen am Ursprung der von Heidegger untersuchten Dynamik stehen. Die Partikel »ex« läßt uns an ein Herkommen und gleichzeitig an ein Loslösen denken. Die Existenz ist also demnach ein »Sein, das von etwas herkommt« und gleichzeitig ein »Über sich Hinausgehen«, gleichsam ein »Transzendieren«, das das »Sein« dauerhaft definiert. Hier berühren wir die ursprünglichste Ebene des menschlichen Lebens: sein Geschaffensein, seine strukturelle Abhängigkeit von einem Ursprung, sein Gewolltsein von jemandem, zu dem es gleichsam unbewußt strebt.

Der verstorbene Msgr. Luigi Giussani, der mit seinem fruchtbaren Charisma am Ursprung der Veranstaltung in Rimini steht, hat diese grundlegende Dimension des Menschen immer wieder betont, und das zu Recht: Denn gerade dem Wissen um sie entspringt die Gewißheit, mit der der Mensch dem Leben begegnet. Die Erkenntnis des eigenen Ursprungs und die »Nähe« dieses Ursprungs zu allen Augenblicken der Existenz sind die Voraussetzung, unter der es dem Menschen möglich ist, seine Persönlichkeit wirklich heranreifen zu lassen, positiv in die Zukunft zu blicken und die Geschichte schöpferisch zu gestalten. Diese anthropologische Gegebenheit bestätigt sich bereits in der täglichen Erfahrung: Je mehr ein Kind die Nähe der Eltern erfährt, desto mehr Gewißheit und Sicherheit besitzt es. Aber gerade anhand des Beispiels des Kindes verstehen wir auch, daß die Erkenntnis unseres Ursprungs und folglich unserer strukturellen Abhängigkeit allein nicht ausreicht. [...]
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