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Aus dem Vatikan
Generalaudienz auf dem Petersplatz am 12. Juni

Zum Volk Gottes gehören

Zum Volk Gottes gehören
Papst Franziskus ist bereits 45 Minuten vor dem offiziellen Beginn der Audienz auf den Petersplatz gekommen, um möglichst viele Personen persönlich zu begrüßen.
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Heute möchte ich kurz bei einem weiteren Begriff verweilen, mit dem das Zweite Vatikanische Konzil die Kirche beschreibt: bei dem Begriff »Volk Gottes« (vgl. Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 9; Katechismus der Katholischen Kirche, 782). Und ich tue das mit einigen Fragen, über die jeder nachdenken kann.

Was bedeutet es, »Volk Gottes« zu sein? Zunächst bedeutet es, dass Gott keinem Volk in eigener Weise gehört; denn er ist es, der uns ruft, uns beruft, uns einlädt, zu seinem Volk zu gehören, und diese Einladung ist an alle gerichtet, ohne Unterschied, denn Gottes Barmherzigkeit »will, dass alle Menschen gerettet werden« (1 Tim 2,4). Jesus sagt nicht zu den Aposteln und zu uns, dass wir eine exklusive Gruppe, eine Elite bilden sollen. Jesus sagt: Macht alle Völker zu meinen Jüngern (vgl. Mt 28,19). Der hl. Paulus sagt: Im Volk Gottes, in der Kirche, gibt es »nicht mehr Juden und Griechen… denn ihr seid alle ›einer‹ in Christus Jesus« (Gal 3,28). Auch dem, der sich fern von Gott und von der Kirche fühlt, der ängstlich oder gleichgültig ist, der meint, sich nicht mehr ändern zu können, möchte ich sagen: Der Herr ruft auch dich, zu seinem Volk zu gehören, und er tut dies mit großer Achtung und Liebe! Er lädt uns ein, zu diesem Volk, zum Volk Gottes zu gehören.

Wie wird man zu Gliedern dieses Volkes?
Nicht durch die physische Geburt, sondern durch eine neue Geburt. Im Evangelium sagt Jesus zu Nikodemus, dass man neu geboren werden muss, aus Wasser und aus Geist, um in das Reich Gottes zu kommen (vgl. Joh 3,3–5). Durch die Taufe werden wir in dieses Volk eingegliedert, durch den Glauben an Christus: ein Geschenk Gottes, das genährt werden und dass in unserem ganzen Leben zum Wachsen gebracht werden muss. Wir wollen uns fragen: Wie lasse ich den Glauben wachsen, den ich in meiner Taufe empfangen habe? Wie lasse ich diesen Glauben wachsen, den ich empfangen habe und den das Volk Gottes besitzt?

Das Gesetz der Liebe

Die nächste Frage. Welches ist das Gesetz des Volkes Gottes? Es ist das Gesetz der Liebe, Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten nach dem neuen Gebot, das der Herr uns gegeben hat (vgl. Joh 13,34). Eine Liebe jedoch, die keine unfruchtbare Sentimentalität oder etwas Vages ist, sondern bedeutet, Gott als einzigen Herrn des Lebens anzuerkennen und gleichzeitig den anderen anderen als echten Bruder anzunehmen und Spaltungen, Feindschaften, Unverständnis, Egoismus zu überwinden; diese beiden Dinge gehören zusammen. Wie lang ist doch der Weg, den wir noch zurücklegen müssen, um dieses neue Gesetz, das Gesetz des Heiligen Geistes, der in uns wirkt, das Gesetz der Liebe konkret zu leben! Wenn wir in den Zeitungen oder im Fernsehen die vielen Kriege unter Christen sehen: Wie kann das nur geschehen? Wie viele Kriege gibt es im Volk Gottes! In den Stadtvierteln, an den Arbeitsplätzen, gibt es so viele Kriege aus Neid, aus Eifersucht! Und wie viele Kriege gibt es auch im Inneren der Familie! Wir müssen den Herrn bitten, dass er uns dieses Gesetz der Liebe gut verstehen lässt. Wie schön ist es, einander zu lieben als echte Geschwister. Wie schön ist das! Wir wollen heute etwas tun. Wir alle haben wohl Sympathien und Antipathien; viele von uns sind vielleicht über einen anderen verärgert. Sagen wir also zum Herrn: Herr, ich bin verärgert über denjenigen oder diejenige; ich bitte dich für ihn und für sie. Für jene zu beten, über die wir verärgert sind, ist ein ganz schöner Schritt in diesem Gesetz der Liebe. Tun wir das? Tun wir es heute!  [...]
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